Umwelt:Sieben von acht Grenzen des Erdsystems sind überschritten

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Waldbrände in Nordspanien im März: Eine ungewöhnlich frühe Hitzewelle hat das örtliche Feuerrisiko erhöht. (Foto: VINCENT WEST/REUTERS)

Wasser, Boden, Luft: Forscher haben berechnet, wie unsere heutige Lebensweise die Stabilität des gesamten Planeten gefährdet - und legen dar, wie es besser ginge.

Nicht nur die Erderwärmung bedroht das Leben auf der Erde, sondern auch knapper werdende Süßwasserreserven, Umweltverschmutzung und die Verringerung der Artenvielfalt. Davor warnt die "Earth Commission", ein internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlern. In ihrer Studie in der Fachzeitschrift Nature schreibt die Gruppe um Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dass sieben von acht "sicheren und gerechten Grenzen" des Erdsystems bereits überschritten seien.

Aus Sicht der mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefährdet der Mensch mit seiner heutigen Lebensweise die Stabilität und Belastbarkeit des gesamten Planeten. "Aus diesem Grund legen wir zum ersten Mal quantifizierbare Zahlen und eine fundierte wissenschaftliche Grundlage vor, um den Zustand unseres Planeten im Hinblick auf das menschliche Wohlergehen und Gerechtigkeit zu bewerten", sagte Rockström.

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Die Studie basiert auf dem 2009 von Rockström und Kollegen vorgestellten Konzept der planetaren Grenzen, deren Überschreiten die Stabilität der Ökosysteme auf der Erde gefährdet. Ergänzt wurde das Konzept um Kriterien für einen sicheren und gerechten Handlungsraum der Zivilisation, welche die britische Wirtschaftswissenschaftlerin Kate Raworth 2012 beschrieben hatte.

"Man darf sich nicht vormachen, dass die planetaren Grenzen wissenschaftlich genau bestimmbar wären"

Auf einer stabilen Erde gibt es Rückkopplungen, die Störungen abfedern. Ist dieses ausgleichende System nachhaltig gestört, drohen existenzielle und irreversible Schäden, etwa eine steigende Zahl von Todesfällen, die Vertreibung von Menschen, der Verlust von Lebensmitteln, Wasser oder Ernährungssicherheit sowie chronische Krankheiten, Verletzungen oder Mangelernährung.

Bei der Biodiversität zum Beispiel sehen die Studienautoren bereits zwei Grenzen überschritten: 50 bis 60 Prozent der Landfläche müssten naturbelassen sein oder nachhaltig bewirtschaftet werden, damit die natürlichen Leistungen der Ökosysteme wie Bestäubung, frisches Wasser und frische Luft erhalten bleiben. Derzeit treffe dies nur auf 45 bis 50 Prozent der Landfläche zu. Und die Forderung, dass 20 bis 25 Prozent von jedem Quadratkilometer von weitgehend natürlicher Vegetation bedeckt sein sollte, wird nur auf einem Drittel der vom Menschen beeinflussten Landfläche erfüllt.

Um die Ökosysteme in und um Flüsse und Binnengewässer zu erhalten, sollte deren Wasserstand nur um etwa 20 Prozent der Wassermenge schwanken. Auf etwa einem Drittel der Landfläche ist dies nicht der Fall. Zudem sollte nur so viel Grundwasser entnommen werden, wie sich wieder neu bilden kann. Diese Grenze wird derzeit auf 47 Prozent der weltweiten Landflächen gerissen.

Das Gerechtigkeitskonzept des neuen Ansatzes umfasst drei Aspekte der Gerechtigkeit bei der Nutzung der globalen Gemeingüter: gegenüber anderen Lebewesen und Ökosystemen, gegenüber den kommenden Generationen und gegenüber den global verteilten Angehörigen der heutigen Generation.

Zum Tragen kommt das Gerechtigkeitskonzept etwa beim Klimawandel: Während eine Erwärmung um 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter von den Wissenschaftlern noch als "sicher" eingestuft wird, sehen sie eine Erwärmung um maximal ein Grad als "gerecht" an. Denn schon beim heutigen Stand, einer Erderwärmung um rund 1,2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, seien Dutzende Millionen Menschen massiv vom Klimawandel betroffen, schreiben die Studienautoren. Diese Zahl werde sich mit jedem Zehntelgrad zusätzlicher Erwärmung drastisch erhöhen.

"Ich finde die Erweiterung um die Perspektive der Gerechtigkeit sehr, sehr wichtig. Allerdings darf man sich nicht vormachen, dass die planetaren Grenzen wissenschaftlich genau bestimmbar wären", sagt Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg-Forschungszentrums für Biodiversität und Klima. So suggeriere das Bild der planetaren Belastbarkeitsgrenzen, dass es Kipppunkte gebe, bei denen das Erdsystem von einem für den Menschen bewohnbaren, sicheren in einen unbewohnbaren Zustand kippt. Allerdings scheine es etwa bei der Biodiversität keinen sicheren Bereich zu geben, so Böhning-Gaese. "Im Gegenteil scheinen wir mit jeder verlorenen Art Ökosystemfunktionen zu verlieren, mal mehr und mal weniger. Vor allem leidet mit jeder verlorenen Art die Robustheit und Stabilität von Ökosystemen."

Um das Wohlergehen der Menschen zu gewährleisten, ist den Forschern zufolge eine gerechte globale Umgestaltung aller Erdsysteme erforderlich. "Solche Transformationen müssen systemisch in den Bereichen Energie, Ernährung, Stadt und anderen Bereichen erfolgen", schreiben die Studienautoren, zudem müssten sie auch armen Menschen zugutekommen. "Es ist glasklar", sagt Katrin Böhning-Gaese, "dass die Ressourcen der Erde begrenzt sind und dass wir als Menschheit innerhalb dieser Grenzen operieren müssen."

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