SZ-Klimakolumne:Rolle rückwärts im Klimaschutz

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Der CO₂-Preis steigt im neuen Jahr. Das wirkt sich auf die Heizkosten aus. (Foto: Willibald Wagner/imago images/Shotshop)

Gesetze werden abgeschwächt, Ziele zurückgestellt, Vorhaben gekippt: In der Klimapolitik läuft gerade vieles rückwärts. Wohin wird das führen?

Von Michael Bauchmüller

Wohnungsbaugipfel in Berlin, diese Woche. Die Republik ist in Alarmstimmung, es wird nicht genug gebaut. Und was passiert? Deutschland spart - an Klimaschutz. Von der in der EU geplanten Verpflichtung, die ältesten und am wenigsten klimafreundlichen Gebäude zu sanieren, rückt die Koalition ab. Zu leiden haben darunter jene, die sich gut sanierte Wohnungen nicht leisten können: Sie werden von steigenden Energiekosten umso mehr getroffen. So geht die Schere auseinander.

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Zuvor hatte der grüne Klimaschutzminister schon erklärt, warum auch der ehrgeizigere Neubau-Standard EH 40 in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen wird. "Das kann noch warten", sagte Robert Habeck. Schließlich gebe es ja jetzt auch ein Heizungsgesetz. Nur war das auch schon ordentlich zusammengestutzt worden (was das Gesetz konkret für die Heizungen in Deutschland bedeutet, können Sie hier nachlesen). Das, und mehr noch der Verzicht auf verpflichtende Sanierungen, wird dazu führen, dass die Emissionen bei Gebäuden nicht so schnell sinken wie nötig. Konsequenzen allerdings dürfte das kaum haben: Schließlich wird auch gerade das Klimaschutzgesetz novelliert. Sektorziele, wie sie bisher auch die Gebäude einhalten mussten, sollen wegfallen. Damit werden die Ministerien auch keine Sofortprogramme mehr vorlegen müssen. Habeck hatte diesen Wegfall unter anderem damit begründet, dass das Gesetz bisher ohnehin nicht eingehalten worden sei. Ein bemerkenswertes Argument.

Etwas hat sich verändert in diesem Land. Nicht mehr das Klima ist die Hauptsorge im Herbst 2023, sondern Inflation und Rezession. Können wir uns so viel Klimaschutz überhaupt noch leisten - das ist die Frage der Stunde. Und nicht, wie teuer der Verzicht darauf am Ende kommt. Die Rolle rückwärts ist im Gange, und einstweilen ist nicht erkennbar, wer sich innerhalb der Ampelregierung dagegen stemmt. Hätte vor zwei Jahren auch niemand so erwartet.

Die Ungleichzeitigkeit von Handeln und Wirkung zählte schon immer zu den größten Problemen der Klimapolitik. Was im Jetzt passiert, hat Folgen erst in der Zukunft. Das Bundesverfassungsgericht hatte das 2021 erkannt und daraus die Forderung nach mehr Klimaschutz abgeleitet. Doch die Debatte läuft nun in die andere Richtung: Was der Zukunft nutzt, steigert die Kosten in der Gegenwart - und die sind doch ohnehin schon zu hoch. Wenn sich das Narrativ vom unerschwinglichen Klimaschutz durchsetzt, hat die Enkelgeneration ein Problem.

Das alles ist brandgefährlich und zeigt nur eins: Wer nach den Debatten der vergangenen Jahre - auch und gerade im Energiekrisenjahr 2022 - gedacht hat, Klimaschutz sei ein Selbstläufer, lag falsch.

Bleiben wir also dran - trotz allem.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Ausgabe dieses Textes hieß es fälschlicherweise, Axel Gedaschko, der Chef des Immobilienverbands GdW, habe sich in den Tagesthemen für die "Unterstützung bei den Klimaschutzmaßnahmen" bedankt und damit die Aufweichung der Sanierungsauflagen gemeint. Gedaschko bezog sich nach eigenen Angaben auf die Ausweitung der Sanierungsförderung.

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