Staatsanwaltschaft:Letzte Generation: Uneinigkeit bei juristischer Bewertung

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Ein Aktivist der Gruppe „Letzte Generation“ blockiert eine Kreuzung. (Foto: Swen Pförtner/dpa/Symbolbild)

Ist die Klimagruppe der Letzten Generation eine kriminelle Vereinigung? An der Frage scheiden sich die Geister. Für die Staatsanwaltschaft Berlin ist der Vorwurf derzeit überzogen.

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Berlin/Potsdam (dpa/bb) - Die Berliner Staatsanwaltschaft hält Ermittlungen gegen die Klimaschutz-Aktivisten der Letzten Generation wegen des Verdachtes der Bildung einer kriminellen Vereinigung für nicht gerechtfertigt. Es gebe dafür keinen Anfangsverdacht, sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaften, Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner, am Mittwoch dem RBB24-Inforadio. „Für diese Idee einer kriminellen Vereinigung muss das Ganze eben schon terrorismusähnlich sein, mit einer gewissen Erheblichkeit ausgestattet sein.“

Diese Einschätzung wird nach seinen Worten aber auch angesichts der öffentlichen Debatte permanent neu bewertet. „Das, was die Letzte Generation und die Klimaaktivisten insgesamt machen, ist quasi ein dauerhaftes Lästigwerden.“

Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen die Gruppe wegen des Verdachtes der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Hintergrund der Ermittlungen sind laut Staatsanwaltschaft unter anderem Attacken von Klimaaktivisten seit April 2022 auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Neuruppin sagte der Nachrichtenagentur dpa, es sei das Ziel, die Ermittlungen im Sommer abzuschließen.

Das Landgericht Potsdam hatte zuletzt ebenfalls einen Anfangsverdacht gesehen, dass es sich bei der Letzten Generation um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte. Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) ließ zuletzt mitteilen, dass er Anhaltspunkte für eine solche Bewertung sehe. „Justizministerin Susanne Hoffmann und ich sind uns einig. Aus unserer Sicht spricht vieles dafür, dass wir es bei der Gruppe „Letzte Generation“ mit einer kriminellen Vereinigung zu tun haben“, erklärte Stübgen. Die Klimaschutz-Aktivisten seien organisiert, trainierten gemeinsam und verabredeten sich zu „kriminellen Aktionen“.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte zustimmend auf diese juristische Bewertung. „Man kann der Argumentation des Landesgerichts Potsdam in Teilen durchaus folgen“, sagte er. „Es gibt eine Organisation, die dahinter steht, und es gibt eine Verabredung zur Begehung von Straftaten.“ Woidke sagte: „Ich würde dafür plädieren, dass wir auch in diesem Bereich dafür sorgen, dass Recht und Gesetz nicht mit Füßen getreten werden und dass alle sich an die Regeln halten.“

Die Letzte Generation machte am Mittwoch via Twitter darauf aufmerksam, dass das Landgericht Potsdam keine Aussage zur Erheblichkeit der Taten getroffen habe.

Was eine Einstufung als kriminelle Vereinigung bedeuten würde, sagte am Mittwoch Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU): „Für die rechtliche Bewertung einer kriminellen Vereinigung würde es bedeuten, dass an sich die Mitgliedschaft an dieser Gruppe - also Förderungs- und Beihilfehandlungen - dann strafbar wären.“

Die Motivation für die Taten sei bei einer juristischen Bewertung nur zweitrangig. „Das Strafgesetzbuch interessiert normalerweise nicht, mit welcher Motivation sie einen Tatbestand verwirklichen“, sagte Hoffmann. Das sei allenfalls bei der Strafzumessung relevant.

Die Gruppe hatte in Brandenburg mit mehreren Aktionen strafrechtliche Ermittlungen auf sich gezogen. Im Herbst 2022 hatten Anhänger der Gruppe im Potsdamer Museum Barberini das Gemälde „Getreideschober“ von Claude Monet mit Kartoffelbrei attackiert. Nach Angaben des Museums war bei der Aktion das Gemälde dank Verglasung und einer speziellen Filzleiste nicht beschädigt worden, wohl aber der historische Rahmen.

© dpa-infocom, dpa:230517-99-725188/3

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