Katie Bouman:Sie wird für das Foto vom Schwarzen Loch gefeiert

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Die Informatikerin Katie Bouman wird in den sozialen Medien als führender Kopf hinter der ersten Aufnahme eines Schwarzen Lochs gesehen. Das ist nicht ganz richtig, und doch ist ihr Ruhm verdient.

Von Marlene Weiß

Im Frühsommer 2018 saß die heute 29-jährige Informatikerin Katie Bouman mit Kollegen in einem Raum an der Harvard-Universität. Ein Bild von diesem Arbeitstreffen postete Bouman am Mittwoch auf Facebook, und prompt ging es um die Welt: einige Tische, Pappbecher, Laptops. Und Bouman, auf deren Bildschirm soeben das erste Bild eines Schwarzen Lochs aufgetaucht ist. Sie schlägt die Hände vors Gesicht und scheint sich zu fragen, ob das gerade wirklich passiert.

Seither ist Bouman ein Star der sozialen Medien: Seht her, die Wissenschaftlerin vom Event-Horizon-Team, die das erste Foto eines Schwarzen Lochs gemacht hat - kein weißbärtiger Mann, sondern eine junge, bildhübsche Frau, die gut reden kann und in Videos meistens vor Begeisterung innerlich zu hüpfen scheint. Dass sich der Ruhm nun so auf sie konzentriert, ist nicht ganz fair, und auch nicht unbedingt in Boumans Sinne. Sie selbst weist bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass das am Mittwoch endlich veröffentlichte erste Foto eines Schwarzen Loches eine Teamleistung war.

Das stimmt: Von den 200 Wissenschaftlern, die mit Teleskopen in aller Welt das Schwarze Loch in der Galaxie M87 einfingen, waren rund 30 mit der Bildverarbeitung betraut. Vier Algorithmen wurden parallel entwickelt, um aus den Teleskop-Daten Bilder zu machen; Bouman entwickelte in ihrer Doktorarbeit am MIT einen davon.

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"Dieses Projekt war nie die Geschichte eines Helden, es sind viele", sagt Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, das an der Daten-Auswertung beteiligt war. Damit will er Boumans Beitrag nicht kleinreden. "Sie ist eine ganz tolle Forscherin", sagt er. Vor allem sei Bouman eine der "jungen Wilden" im Projekt gewesen: Ungewöhnlich viele der EHT-Wissenschaftler waren Doktoranden wie Bouman, die wagten, ganz neue Wege zu gehen. Für Bouman, die erst nach einem Bachelor in Elektrotechnik in die Informatik ging, hieß das, Bildverarbeitungsmethoden aus anderen Gebieten auf die astrophysikalischen Daten anzuwenden.

Der Weg von den Daten zum Bild war in diesem Fall besonders komplex, weil acht Teleskope zu einem großen, virtuellen zusammengeschaltet wurden. Das bedeutet, dass es Lücken in den Daten gab, die auf der Basis von Annahmen aufgefüllt werden mussten. Zugleich aber durfte man nicht zu viel voraussetzen: "Wenn wir Einsteins Gleichungen zu stark in die Auswertung einbauen, riskieren wir, nur das zu sehen, was wir erwarten", sagte Bouman in einem Ted-Talk im Jahr 2016, kurz vor Beginn der Messungen. "Wir wollen Raum lassen für die Möglichkeit, einen riesigen Elefanten im Zentrum der Galaxie zu sehen."

Glücklicherweise zeigten dann jedoch alle Methoden der Auswertung das Gleiche, und es war kein Elefant. In Boumans exotischem Ansatz wurde dieses Bild aus vielen Schnipseln anderer Bilder zusammengesetzt. Dass selbst auf diese Weise das erwartete Muster mit einem leuchtenden Ring um einen schwarzen Schatten herauskam, zeigte den Forschern, dass sie ihrer Interpretation vertrauen konnten: Was sie sahen, war kein Wunschbild, sondern die Realität, das erste direkte Bild eines Schwarzen Loches.

Katie Bouman, die kürzlich geheiratet hat, ist weiter zum California Institute of Technology gezogen, wo sie eine Assistenzprofessur antritt. Auch dort wird sie als Frau in ihrem Fach in der Minderheit sein. Meistens sei ihr das nicht so präsent, sagte sie in einem Interview. Aber manchmal denke sie darüber nach, wie sich mehr Frauen für Informatik und Technik gewinnen ließen. "Man muss zeigen, dass man nicht nur im Labor sitzt und Schaltkreise schraubt oder tippt", sagt sie. Eine Karriere in den Naturwissenschaften, das bedeute für sie auch, mit Menschen aus der ganzen Welt arbeiten, Teleskope in 4500 Meter Höhe besuchen. Oder eben: "Auf das erste Bild eines Schwarzen Loches hinarbeiten."

© SZ vom 12.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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