Archäologie:Die geheimnisvollen Einwohner von Machu Picchu

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Heute wird Machu Picchu von Touristen bevölkert - vor 500 Jahren dagegen lebten dort wohl Bedienstete der Inka-Herrscher. (Foto: Marco Garro/picture alliance / dpa)

In der Bergstadt der Inka wohnten wohl vor allem Palastdiener der Herrscher. Eine Genanalyse zeigt nun: Die Einwohner stammten aus fast allen Teilen des Inka-Reiches.

Von Jakob Wetzel

Wer nach Machu Picchu gelangen will, hat es heute vergleichsweise bequem. Ein Zug fährt von Cusco in die nahe gelegene Kleinstadt Aguas Calientes in den Anden von Peru, und von dort geht es weiter mit dem Bus. Besucher müssen auf dem Weg in die Inka-Ruinenstadt also nur noch mäßig schwitzen. Doch einst war das anders. In Machu Picchu lebten im 15. und im frühen 16. Jahrhundert wohl in der Spitze bis zu 750 Menschen. Sie schöpften Trinkwasser aus einem Netz von Kanälen, sie kultivierten Pflanzen auf Terrassen. Und An- und Abreise waren beschwerlich: Vom Tal hinauf führten lediglich schmale Pfade und steile Treppen.

Machu Picchu liegt versteckt und unzugänglich auf einem Bergrücken zwischen zwei Gipfeln. Doch die Einwohner der Inka-Stadt wohnten nicht nur abgeschieden vom Umland, sondern lebten offenbar auch weit entfernt von ihrer Heimat. Darauf hatten bisher bereits Untersuchungen von Knochen und Grabbeigaben hingedeutet; jetzt bestätigen das Genanalysen, die ein Team um die Anthropologin Lucy Salazar von der Universität Yale vorgenommen hat. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science Advances berichten, kamen die Bewohner von Machu Picchu offenbar weder aus dem näheren Umland der Stadt noch aus dem rund 75 Kilometer Luftlinie entfernten Cusco, dem Zentrum des Inka-Reiches. Die Einwohnerschaft war vielmehr beispiellos bunt zusammengewürfelt. Die Menschen stammten aus fast allen Regionen des Inka-Reichs und aus Amazonien. Und abgesehen von einer Mutter und ihrer Tochter war keiner der untersuchten Toten direkt miteinander verwandt gewesen.

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Das Team untersuchte die Überreste von 34 Menschen, die um den Inka-Palast von Machu Picchu bestattet worden sind; insgesamt wurden in der Stadt die Überreste von mehr als 170 Individuen dokumentiert. Die Forscher untersuchten außerdem Tote aus Cusco und Umgebung, neben dem Erbgut analysierten sie in vielen Fällen auch das Alter der Knochen. Die Ergebnisse verglichen sie mit alten und gegenwärtigen Gendaten aus ganz Südamerika.

Die Bewohner der Bergstadt stammten demnach teils aus den Anden, teils von der Küste im Norden und im Süden des heutigen Peru. Teils kamen sie aus dem Amazonasgebiet im Norden Machu Picchus. Einzelne kamen vermutlich aus der Savannenregion Gran Chaco im Landesinneren Südamerikas, auf dem Gebiet der heutigen Staaten Bolivien, Paraguay, Argentinien und Brasilien. Über gut ein Jahrhundert hinweg kamen immer wieder Neuzugänge nach Machu Picchu. Und offenbar kamen die Menschen jeweils alleine, nicht gemeinsam mit ihren Familien. Knochen- und Zahnuntersuchungen zufolge war die Bergstadt ab etwa 1420 und bis ins Jahr 1532 europäischer Zeitrechnung bewohnt.

Die Inka hatten generell wenig Skrupel im Umgang mit unterworfenen Völkern

Diese Ergebnisse passen zu einer gängigen Theorie, warum Machu Picchu einst errichtet worden ist. Die Stadt war demnach als Winterresidenz von Pachacútec Yupanqui, dem neunten König der Inka, erbaut worden. Wie das Team um Salazar schreibt, müsse der Aufenthalt in Machu Picchu speziell während der trockenen Monate von Mai bis Oktober attraktiv gewesen sein. Aus schriftlichen Quellen der Spanier wisse man, dass der Herrscher religiöse Zeremonien besuchte und sich die Zeit mit Festen und Jagdausflügen vertrieb; vermutlich habe er das auch in Machu Picchu getan. Wenn er dann wieder abwesend war, blieben Bedienstete vor Ort, um die Stadt in Schuss zu halten und weiterhin Rituale zu pflegen.

Diese Diener, genannt "Yanacona", nahmen in der Gesellschaft des Inka-Reiches eine Sonderrolle ein. Wegen ihrer Nähe zum Herrscherhaus galten sie als privilegiert. Bewährte "Yanacona" konnten ehemalige auserwählte Jungfrauen, sogenannte "Aclla", zur Frau bekommen. Vor allem aber standen sie außerhalb des "Ayllu" genannten Systems von Sippe und Familie und wurden als Leibeigene teils aus eroberten Regionen an ihre künftigen Dienstorte gebracht. Die Knochen, die das Team um Salazar nun untersucht hat, könnten von solchen Dienern und deren Frauen stammen.

Die Inka hatten generell wenig Skrupel, was unterworfene Völker anging: Um ihre Macht zu sichern, pflegten sie etwa in neu eroberten Gebieten ganze ethnische Gruppen umzusiedeln, um sie durch loyale Untertanen zu ersetzen. Wer in seine Heimat zurückkehrte, riskierte grausame Strafen. Den Bewohnern von Machu Picchu aber erging es offenbar recht gut - zumindest ihren Knochen zufolge. Osteologische Untersuchungen ergaben weder Anzeichen für übermäßig harte Arbeit, etwa bei Bauarbeiten oder in der Landwirtschaft, noch für Hunger oder schwere Krankheiten. Auch Kriegsverletzungen konnten die Forscher keine finden. Dafür starben einige der Bewohner erst im vergleichsweise hohen Alter von 50 oder mehr Jahren. Dabei schließt das Team um Salazar aus, dass es sich bei den Toten auch um Angehörige der herrschenden Elite handeln könnte. Diese hätten die Inka in Cusco bestattet. Der Weg nach Machu Picchu mag demnach beschwerlich gewesen sein. Einmal oben angekommen, ließ es sich dort offenbar gut leben.

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