Archäologie:Eine Gratwanderung

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Wie hieß die Stadt: Machu Picchu, so wie der eine Berg - oder doch Huayna Picchu, so wie der andere (im Hintergrund)? (Foto: Michael Just/imago images)

Die Inka-Ruinenstadt Machu Picchu trägt womöglich einen falschen Namen. Wie aber heißt die Stätte dann wirklich?

Von Jakob Wetzel

Es wäre spannend zu erfahren, ob sich Donato Amado Gonzales mit seiner Forschung eigentlich bei seinem Arbeitgeber beliebt gemacht hat. Der Historiker arbeitet für das peruanische Kulturministerium in Cusco. Und nun hat er sich gemeinsam mit dem Anthropologen Brian Bauer von der Universität von Illinois in Chicago ausgerechnet an Machu Picchu gewagt, Perus Touristenattraktion schlechthin. Der Name "Machu Picchu" steht nicht nur in Reiseführern, auf Schildern und Eintrittskarten, der Name ist eine weltweit bekannte Marke. Laut Kulturministerium besuchten selbst im Corona-Jahr 2021 trotz Pandemie 447 800 Menschen die Ruinenstadt der Inka nordwestlich von Cusco. Doch Amado Gonzales und Bauer zufolge gibt es da einen Irrtum: Der Name ist verkehrt. Machu Picchu hieß ihnen zufolge ursprünglich wohl "Huayna Picchu", vielleicht auch nur "Picchu". Das geht aus einer Studie der zwei Wissenschaftler hervor, die in der Zeitschrift Ñawpa Pacha erschienen ist.

Dass der Name "Machu Picchu" nicht unbedingt authentisch ist, das ist grundsätzlich nicht neu. Die Inka haben die Stadt im 15. Jahrhundert errichtet, aber keine schriftlichen Quellen hinterlassen. Historiker sind deshalb weitgehend auf das angewiesen, was andere über die Inka berichtet haben. Der Name "Machu Picchu" geht auf den US-amerikanischen Forscher Hiram Bingham zurück, der 1911 eher zufällig auf die Ruinen stieß und sie 1913 im National Geographic weltweit als "Machu Picchu" bekannt machte. Doch Bingham wusste selbst, dass das nicht zwangsläufig der wahre Name war. Dieser sei "in den Schatten der Vergangenheit verloren" gegangen, schrieb er. "Machu Picchu" hat sich dennoch durchgesetzt.

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Wahrscheinlich zu Unrecht, meinen nun Amando Gonzales und Bauer. Sie haben Binghams Tagebücher ausgewertet, dazu historische Karten und Berichte europäischer Reisender aus dem 19. Jahrhundert. Bingham habe sich auf die Auskunft seines Führers verlassen, eines Bauers aus der Region, doch der habe sich wohl geirrt, schreiben sie. Auf älteren Karten fanden sie ganz unterschiedliche Einträge, aber auch einen Hinweis auf eine Stadt namens "Huayna Picchu". Dass der Ort wirklich so hieß, folgern sie vor allem aus einem Dokument von 1588, das im Regionalarchiv von Cusco liegt. Es erzählt vom damals bereits beendeten Krieg der spanischen Eroberer gegen aufständische Inka. Leibeigene der Spanier berichten darin, sie hätten einst geholfen, eine Verschwörung aufzudecken. Einheimische hätten heimlich einen Ort wieder in Besitz nehmen wollen, den sie "Huayna Picchu" nannten, um dort ihre alten Riten zu pflegen. Amado Gonzales und Bauer zufolge meinten sie das vermeintliche Machu Picchu.

Offen ist, ob die Suche nach dem wahren Namen damit beendet ist. Beide fragliche Namen bezeichnen zunächst zwei Gipfel, den 3082 Meter hohen "alten Berg" (Quechua: "Machu Picchu") und den 2720 Meter hohen "jungen Berg" ("Huayna Picchu"). Die Ruinenstadt liegt auf dem Grat dazwischen, und zu allem Überfluss gibt es nicht nur dort Inka-Ruinen, es gab auch Gebäude und einen Tempel am Gipfel des "Huayna Picchu". Die Frage ist daher nicht nur, wann ein Name auftaucht, sondern auch: Was ist jeweils gemeint, der Berg oder die Siedlung - und welche? Wer verstand wann worunter was?

So taucht etwa der Name "Machu Picchu" auch schon im 19. Jahrhundert auf, vor Binghams Expedition. Amado Gonzales und Bauer zufolge war in diesen Fällen aber nur der Berg gemeint. Dass es auf dem Grat eine Stadt gab, hätten die meisten Menschen damals gar nicht mehr gewusst.

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