Marine Hitzewellen:Warum halten die Fische das aus?

Lesezeit: 2 min

Ein Schwarm Sardinen. (Foto: Gerald Nowak, via www.imago-images.de/imago images/Westend61)

Hitzewellen im Meer können verheerend für Korallen oder Seevögel sein, haben aber offenbar kaum Einfluss auf Fische in Bodennähe, berichten Forscher. Das wirft Fragen auf.

Hitzewellen im Meer haben anscheinend keinen größeren Einfluss auf in Bodennähe lebende Fische, zu denen auch kommerziell wichtige wie Schollen, Kabeljau oder der als Alaska-Seelachs gehandelte pazifische Pollack gehören. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach der Analyse von 248 Meeres-Hitzewellen von 1993 bis 2019 auf der Nordhalbkugel von den Subtropen bis in die Arktis. Demnach wirkten sich diese oft gering auf die Fischbestände und wesentlich schwächer als natürliche Schwankungen aus.

In diesem Jahr hat die Oberflächentemperatur der Ozeane mit einem globalen Mittel von 21,1 Grad Celsius einen Rekordwert erreicht. Im Nordatlantik lag sie nach vorläufigen Daten der US-Plattform "Climate Reanalyzer" Ende August bei mehr als 25 Grad Celsius. Solche Phänomene dürften zunehmen, weil ein Großteil der Erderwärmung von den Ozeanen aufgenommen wird.

Hitzewellen im Meer - bezogen auf ungewöhnlich hohe Temperaturen über mindestens fünf Tage - würden mit vielen negativen Konsequenzen für Ökosysteme in Verbindung gebracht, schreibt die Gruppe um Alexa Fredston von der University of California in Santa Cruz im Fachjournal Nature. Als Beispiele nennen sie Korallenbleichen, das Sterben von Kelpwäldern oder auch von Rifffischen in flachen Küstengewässern. Allerdings sei unklar, wie sich solche Ereignisse auf jene Fische auswirkten, die an den Kontinentalsockeln der Nordhalbkugel leben - dort, wo viele große Fangflotten operieren.

Verglichen mit der natürlichen Schwankung war der Einfluss der Hitze nicht groß

Um dies zu prüfen, analysierte das Team wissenschaftliche Erhebungen von Fischereibehörden aus dem Nordatlantik sowie aus dem nordöstlichen Pazifik - also aus Nordamerika und Europa. Dabei ging es überwiegend um Fische, die in 20 bis 450 Meter tiefen Gewässern gefangen wurden. Der Abgleich von Temperaturdaten und Fangmengen brachte durchaus Beispiele dafür, dass Hitzewellen im Meer Fischpopulationen beeinflussen können - sowohl positiv als auch negativ.

So ging etwa eine Hitzewelle von 2014 bis 2016 im Golf von Alaska, bekannt als The Blob, mit einem Rückgang der Fisch-Biomasse um 22 Prozent einher. Andererseits folgte auf eine Hitzewelle 2012 im Nordwest-Atlantik ein Zuwachs der Biomasse um 70 Prozent. Diese Auswirkungen seien zwar substanziell gewesen, schreibt die Gruppe, aber verglichen mit der natürlichen Schwankungsbreite nicht besonders groß ausgefallen.

Beispiel Nordsee: Dort sei nach einer Hitzewelle 2008 die Biomasse um nur 6 Prozent gesunken. 2011 habe sie dagegen um 97 Prozent zugenommen, ohne dass eine Hitzewelle beteiligt war. "Im Gegensatz zu unseren Erwartungen lagen bei Erhebungen, die mit Meeres-Hitzewellen einhergingen, die mittleren Veränderungen der Biomasse nahe null", schreibt das Forschungsteam. Auch für einzelne Meeresareale, Breitengrade oder bestimmte Meerestiefen habe man keinen deutlichen Trend feststellen können.

Größere Effekte könne es in Einzelfällen durchaus geben, aber das lasse sich nicht verallgemeinern. "Meeres-Hitzewellen mögen in vergangenen Jahrzehnten Auswirkungen auf am Boden lebende Fischgemeinschaften gehabt haben, aber wenn dies der Fall war, waren die Auswirkungen klein", heißt es. "Möglicherweise werden sehr extreme Meeres-Hitzewellen in der Zukunft einen Kipppunkt überschreiten, jenseits dessen widrige ökologische Effekt auftreten, aber wir haben für die jüngste historische Phase keinen solchen Kipppunkt gesehen."

In einem Nature -Kommentar schreibt Mark Payne vom Dänischen Meteorologischen Institut in Kopenhagen, die Studie werfe Fragen auf: "Isoliert betrachtet könnte man folgern, dass diese Studie die Idee verwirft, dass Meeres-Hitzewellen ein ökologisch bedeutendes Phänomen sind", schreibt er. "Das wäre ein Fehler."

Studien hätten große Folgen für Meeressäuger, Meeresvögel, Korallen oder nahe der Wasseroberfläche lebende Fische gezeigt. Dagegen beziehe sich die aktuelle Studie lediglich auf Fischarten, die in bis zu 500 Metern Tiefe lebten. Angesichts dessen, dass Hitzewellen im Meer zunehmen dürften, müsse man nun klären, warum solche Phänomene manchen Tiergruppen stark zusetzten, anderen dagegen weniger.

© SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusHitzewellen im Meer
:"Das hat für diesen Sommer niemand vorhergesagt"

Weite Gebiete im Atlantik und im Mittelmeer leiden seit Monaten unter Hitzewellen. El Niño, Jetstream, Klimawandel: Wie Forscher die extremen Temperaturen erklären.

Von Christoph von Eichhorn, Marlene Weiß (Text), Vivien Götz (Daten) und Julia Kraus (Infografiken)

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: