SZ-Klimakolumne:Was der Untergang der Hethiter lehrt

Lesezeit: 2 min

Die Ruinen von Hattusa, der ehemaligen Hauptstadt der Hethiter, wurden 1834 beim türkischen Dorf Boğazköy gefunden. (Foto: Benjamin Anderson/Reuters)

Wenige Jahre der Dürre haben offenbar ausgereicht, um das Großreich der Hethiter kollabieren zu lassen. Was heißt das für die menschengemachte Klimakrise?

Von Jakob Wetzel

Geschichte wiederholt sich nicht, manche Lehren aber lassen sich doch ziehen. Zum Beispiel diese: Der Mensch kommt erschreckend schlecht mit Klimaveränderungen zurecht. So lässt eine Studie aufhorchen, die jüngst in der Fachzeitschrift Nature erschienen ist. Denn sie zeigt, wie fragil auch eine mächtige, lange beständige Zivilisation sein kann.

Forscher um den Archäologen Sturt Manning von der Cornell University in Ithaca, New York, haben die Umstände untersucht, unter denen im frühen 12. Jahrhundert vor Christus das Großreich der Hethiter untergegangen ist. Von ihrer Hauptstadt Hattuscha im anatolischen Hochland aus hatten die Hethiter über Jahrhunderte hinweg den Großteil Kleinasiens sowie den nördlichen Teil Syriens und der Levante beherrscht. Sie sprachen eine indogermanische Sprache, schrieben in Keilschrift und vereinten verschiedenste Kulte und Kulturen. Und die Hethiter waren auch an trockene Bedingungen gewöhnt. Kurz nach 1200 vor Christus aber zerfiel ihr Reich: Geschwächt von Missernten, konnten sie sich einem Einfall rätselhafter Seevölker nicht mehr erwehren, so der Stand der Forschung.

Newsletter abonnieren
:Klimafreitag-Newsletter

Einmal pro Woche - immer freitags - schreiben SZ-Autorinnen und Autoren über Klimakrise, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Kostenlos anmelden.

Manning und seine Kollegen untersuchten jetzt antikes Bauholz aus Gordion westlich von Ankara. Dessen Baumringe erlauben ungewöhnlich exakte Rückschlüsse auf das Klima zwischen 1775 und 748 vor Christus. So fanden sie heraus: Um etwa 1198 bis 1196 vor Christus litten die Hethiter unter einer verheerenden Dürre. In den Folgejahren gab es weitere Anzeichen für Trockenheit, doch offenbar genügten drei dürre Jahre in Folge, um das Großreich kollabieren zu lassen.

Der Untergang der Hethiter sei womöglich durch "einen Klimawandel" herbeigeführt worden, ist seither in verschiedenen Medien zu lesen - doch diese Geschichte ist mit der heutigen, menschengemachten Krise kaum zu vergleichen. Die Dürre des 12. Jahrhunderts mag das Reich der Hethiter zugrunde gerichtet und auch den benachbarten Assyrern zu schaffen gemacht haben. Sie war aber im Wesentlichen auf Regionen rund um das Schwarze Meer beschränkt.

Der heutige Klimawandel lässt sich nicht derart eingrenzen. Sollte etwa der Thwaites-Gletscher in der Antarktis schmelzen (SZ Plus), wird das globale Auswirkungen haben. Womöglich berstende Gletscherseen bedrohen vor allem in Pakistan und China, aber auch in Peru und Indien Millionen Menschen. Wie stark die Klimakrise schon heute das Leben an vielen Orten auf der Welt prägt, zeigen auch die bei Jetzt erscheinenden Klimatagebücher junger Menschen. Zuletzt erzählte ein junger Hirte aus Nordschweden davon, wie die Krise dazu führt, dass ihm seine Rentiere verhungern.

Und doch lässt sich wohl etwas aus dem Schicksal der Hethiter lernen. "Situationen, in denen es über zwei oder drei Jahre hinweg zu lang anhaltenden, wirklich extremen Ereignissen wie diesem kommt, können selbst gut organisierte, widerstandsfähige Gesellschaften aus dem Gleichgewicht bringen", wird Archäologe Sturt Manning in einer Pressemitteilung zitiert. "Wir nähern uns möglicherweise unserer eigenen Belastungsgrenze." Umso wichtiger wäre es, rasch umzusteuern.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klimakrise
:Der SZ-Klimamonitor

Wie wir Menschen die Erde zerstören - und wie wir sie noch retten können. Die wichtigsten Daten und Hintergründe zur größten Krise der Welt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: