Wissenschaft und Öffentlichkeit:Widersteht den Trollen

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Eine Frau auf einer Demonstration gegen Hassrede. Trotz eines erhöhten Fahndungsdrucks gegen die Urheber bleiben Hass und Hetze im Internet in Bayern ein Problem. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Dass Forschende gehasst werden, die sich in der Öffentlichkeit äußern, ist schlimm. Denn eigentlich verdienen sie Dankbarkeit.

Kommentar von Vera Schroeder

Das Spektrum der Menschen, die als Corona-Experten und -Expertinnen in der Öffentlichkeit stehen, ist breit gefächert. Während sich einige wenige am äußeren Rand in Richtung Querdenkertum profilieren, werden anerkannte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen beschimpft, bedroht und getrollt. In einer im Fachmagazin Nature veröffentlichten Umfrage gaben 22 Prozent der Forschenden an, nach öffentlichen Äußerungen Gewaltdrohungen erhalten zu haben, 15 Prozent bekamen Morddrohungen, 80 Prozent berichten von persönlichen Angriffen in sozialen Medien.

Die Zahlen sind abscheulich und trotzdem wenig überraschend. Hate Speech, also gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vor allem (aber nicht nur) im Internet, ist ein Phänomen, mit dem fast jeder, der sich in der Öffentlichkeit bewegt, früher oder später in Kontakt kommt. Besonders stark trifft es jene, die sich zivilgesellschaftlich engagieren.

Man sollte überlegen, wie man selber die Kommunikation der Forschenden unterstützen kann

Man könnte jetzt vermuten, dass Forschende deshalb öfter bedroht werden, weil sie in Corona- oder auch Klimakrisenzeiten relevanter und sichtbarer geworden sind - oft als Überbringer ungemütlicher Nachrichten. Womöglich begeht man aber genau damit einen Denkfehler: Man fängt an, die Gründe für den Hass bei denen zu suchen, die gehasst werden. Anstatt bei denen, die hassen.

Oder man überlegt, was man selbst tun kann, um die ganz bestimmt nicht immer angenehme Kommunikationsarbeit von Forschenden zu unterstützen. Schließlich trauen sich hier Menschen, die eigentlich "Besseres zu tun haben" (Christian Drosten), ihr hochkomplexes Spezialwissen in Dauerschleife und nicht selten unter Beobachtung naserümpfender Kollegen allgemeinverständlich zu vereinfachen, medienlogischen Personality-Quatsch mitzumachen und viel Zeit in Zügen zu Talkshows, am Telefon mit ahnungslosen Journalisten oder auf Höllen-Twitter zu verbringen. Natürlich mögen hier und da auch Anflüge von Eitelkeit eine Rolle spielen. Aber grundsätzlich sind diese Menschen Wissenschaftler geworden und nicht Fernsehsternchen. Die allermeisten Forschenden äußern sich, damit der Rest der Menschen relevante Zusammenhänge besser versteht.

Wem also das nächste mal ein Witz über die Hose einer Klimaforscherin oder die Frisur eines Virologen auf der Zunge liegt: einfach drauf beißen. Schon klar: Hat nichts mit Hate Speech zu tun, so ein Witz. Aber man könnte es stattdessen ja auch mal mit Dankbarkeit probieren.

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