Fossilienfunde:Moderner Mensch kam früher nach Europa als gedacht

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Zwei Forscherteams haben Fossilien des Homo sapiens aus England und Italien neu datiert. Demnach teilten sich unsere Vorfahren den Kontinent mehrere tausend Jahre länger mit den Neandertalern als bislang angenommen.

Der moderne Mensch ist schon deutlich früher nach Europa kam als bisher angenommen. Das belegen zwei Untersuchungen, die jetzt in der britischen Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden.

41.000 Jahre alt ist dieser Oberkieferknochen eines Homo sapiens. Er wurde bereits 1927 in der Kent's Cavern in Südengland gefunden. Jetzt haben ihn Wissenschaftler neu datiert. (Foto: Chris Collins, Natural History Museum, London, Torquay Museum)

Für ihre Studien hatten Wissenschaftler das Alter einiger älterer Knochenfunde neu bestimmt. 41.000 Jahre alt ist demnach ein Kieferknochen, der in der südenglischen Höhle Kent's Cavern entdeckt wurde. Weitere Fundstücke, zwei Zähne aus der süditalienischen Grotta del Cavallo, werden sogar auf 43.000 bis 45.000 Jahre geschätzt.

Wie Tom Higham, Leiter der Datierungs-Abteilung in Oxford, sagte,sei der Kieferknochen vermutlich der älteste Beweis für die Existenz des Homo sapiens im Nordwesten Europas.

Das Fragment des Kieferknochens mit drei Zähnen war bereits 1927 in einer Höhle in Südengland entdeckt worden und zunächst für deutlich jünger gehalten. Mit Hilfe einer Radiokohlenstoffdatierung konnten die Forscher das Alter nun genauer bestimmt werden.

Auch die zwei Milchzähne, die 1964 in Süditalien gefunden worden waren, haben Wissenschaftler um Stefano Benazzi und Gerhard Weber von der Universität Wien neu bewertet. Die Zähne waren bisher dem Neandertaler zugeordnet worden. Doch die computertomographische Analyse ergab: Sie stammen von Vertretern des Homo sapiens. Die Zähne sind demnach die ältesten Überreste eines modernen Menschen in Europa.

Offenbar kam Homo sapiens also bereits vor bis zu 45.000 Jahren nach Europa. Bisher waren die Forscher davon ausgegangen, dass dies erst vor etwa 40.000 Jahren geschehen ist - zu einer Zeit, als der Neandertaler schon fast ausgestorben war.

Funde von Werkzeugen und Kunstgegenständen hatten zwar darauf hingedeutet, dass der moderne Mensch schon früher nach Europa gekommen sein könnte. Aber menschliche Überreste, die diese These belegt hätten, waren bisher nicht gefunden worden.

Experten sehen in der Neudatierung auch einen Beleg dafür, dass der Kontakt zwischen Homo sapiens und dem Neandertaler intensiver war als bisher angenommen. "Es gab genug Zeit für einen Austausch", erklärte Gerhard Weber.

Auf 3000 bis 5000 Jahre schätzt Higham den Zeitraum, in dem Homo sapiens und der Neandertaler sich in Mitteleuropa begegnet sind; in Süd- und Osteuropa möglicherweise noch länger.

Der Neandertaler tauchte vor etwa 300.000 Jahren auf und lebte in Europa, Zentralasien und im Nahen Osten. Vor knapp 40.000 Jahren verschwand er jedoch aus bislang ungeklärten Umständen. Die Funde werfen erneut die Frage auf, welche Rolle der Mensch dabei spielte.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/anbo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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