Vermutlich vor 100.000 Jahren waren moderne Menschen aus Afrika in den Nahen Osten eingewandert und dort auf Neandertaler getroffen. Sie bewohnten dann 50.000 Jahre gemeinsam die Region.
Statistische Modelle legen nahe, dass schon wenige sexuelle Begegnungen zwischen beiden Gruppen genügt haben könnten, um bis heute Spuren in unserem Erbgut zu hinterlassen.
Längst ist die Paläogenetik eine Schlüsseldisziplin, wenn es um die Verzweigungen des menschlichen Stammbaums geht, um die großen Wanderungen aus Afrika und um die kleineren Bewegungen innerhalb der Kontinente.
Vor allem der Erbgutvergleich mit den vor 30.000 Jahren ausgestorbenen Neandertalern verspricht neue Erkenntnisse über unsere Evolution, sind sie doch unsere nächsten Verwandten.
38.000 Jahre alte Knochenstücke
"Wir graben nicht in Höhlen, sondern in den Genen", lautet ein hübsches Bonmot von Pääbo. Es verrät viel über das wachsende Selbstbewusstsein seiner Disziplin.
Zumindest ein wenig Knochenmaterial aus den Höhlen brauchten die Paläogenetiker allerdings schon. In den Kellerräumen der Leipziger Forscher lagern die wertvollen Fragmente im schützenden UV-Licht unter möglichst sterilen Bedingungen.
So hatten Pääbo und seine Kollegen eine gute Auswahl, als sie nach geeigneten Neandertalerproben suchten. Vor allem die Funde aus einer Höhle im heutigen Kroatien sind gut erhalten. Drei 38.000 Jahre alte Knochenstücke erwiesen sich als tauglich für die Erbgut-Analyse.
Sie stammen von Neandertalerfrauen, zwei der Individuen könnten sogar über die mütterliche Linie miteinander verwandt gewesen sein. Aus diesen drei Knochenstücken nahmen die Forscher neun Proben, bohrten 50 bis 100 Milligramm Knochenpulver heraus.
Insgesamt haben die Paläogenetiker im Lauf der vier Jahre nicht einmal ein halbes Gramm Knochen verbraucht - eine sparsame Methode, die allerdings auch nur geringe Mengen Erbgut liefert.
Hinzu kommt, dass die isolierte DNS teilweise zu mehr als 99 Prozent von Mikroorganismen stammte. Diese DNS von der eigentlich gesuchten zu trennen, ist eine der größten Herausforderungen.
Um das reine Neandertalergenom zu entziffern, pickten sich die Forscher immer wieder zufällig kleine DNS-Abschnitte heraus. Manche Stückchen erwischten sie öfter, andere nie. Daher sind einige Abschnitte des Neandertalergenoms nun mehrfach entziffert, andere hingegen gar nicht.
Im Anschluss mussten die vielen einzelnen DNS-Stückchen wieder zusammengepuzzelt werden, dabei diente das Genom des modernen Menschen als Vorlage. Insgesamt konnten sie so knapp 70 Prozent des Neandertalergenoms entziffern.