Berlin/Düsseldorf (dpa) - Die Bundesregierung gerät wegen geplanter Zwangsabschaltungen von Steinkohlekraftwerken ohne Entschädigungen zunehmend unter Druck. Die einflussreiche Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der SPD-Bundestagsfraktion forderte deutliche Nachbesserungen am geplanten Gesetz zum Kohleausstieg - kurz vor einem Treffen von Vertretern der Steinkohlewirtschaft, Kommunen und Ländern mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstagnachmittag in Berlin.
Entschädigungslose Stilllegungen mit hohem Klagerisiko gefährdeten den breiten gesellschaftlichen Konsens der Kohlekommission, sagte der Chef der NRW-Landesgruppe, Achim Post. „Wir brauchen jetzt substanzielle Veränderungen im Gesetzgebungsverfahren.“ Der SPD-Politiker sagte, es dürfe keine Ungleichbehandlung von Steinkohlestandorten im Ruhrgebiet und Braunkohlestandorten geben.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sieht ebenfalls Nachbesserungsbedarf bei der Steinkohle. Die Forderung, Steinkohlekraftwerke nicht ohne Entschädigung stillzulegen, sei im Ansatz richtig, sagte der CDU-Politiker in Düsseldorf. Allerdings müsse der Einzelfall genau betrachtet werden.
Das Bundeskabinett hatte nach langem Ringen ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle bis spätestens 2038 regelt. Betreiber von Steinkohlekraftwerken sollen sich bis 2026 in einem Ausschreibungsverfahren darauf bewerben können, Blöcke gegen Entschädigungen stillzulegen. Die Zahlungen sind nach dem Gesetzentwurf gestaffelt und sollen sich Jahr für Jahr deutlich verringern. Ziel ist, möglichst viele Treibhausgas-Emissionen für möglichst wenig Entschädigung einzusparen, ohne dass es Versorgungslücken gibt.
Sollte es 2024 bis 2026 nicht genügend Bewerbungen geben, können Kraftwerke auch zwangsabgeschaltet werden. Ab 2027 soll dem Gesetzentwurf zufolge über Ordnungsrecht und ohne Entschädigung abgeschaltet werden. Steinkohleanlagen sollen in der Reihenfolge ihres Alters eine Anordnung zur gesetzlichen Reduzierung erhalten - mit der „Rechtsfolge“ des Verbots der Kohleverfeuerung.
Für Betreiber von Braunkohlekraftwerken soll es für das vorzeitige Abschalten von Kraftwerken Milliardenentschädigungen geben - Zwangsstilllegungen sind im Gegensatz zur Steinkohle nicht geplant.
Der Chef der Bergbau-Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Beim im Kern ausgewogenen Kohleausstiegsgesetz gibt es logische Unwuchten bei der Behandlung von Stein- und Braunkohle. Wir müssen ausreichend Steinkohlekapazitäten für den Fall vorhalten, dass der Ausbau der Erneuerbaren im selben Schneckentempo verläuft wie bisher.“ Deshalb brauche es mehr als nur die eine bislang vorgesehene Stilllegungsauktion Mitte der 2020er. „Mit mehreren Auktionen können CO2-Reduktion und Strombedarf am besten austariert werden.“
Laschet sagte, das Unternehmen Uniper habe angeboten, Kraftwerke, die mehr CO2 ausstoßen, vom Netz zu nehmen, nachdem Datteln 4 ans Netz gegangen sei. Uniper werde dafür nicht entschädigt. Er könne sich nicht vorstellen, dass die SPD dafür auch eine Entschädigung verlangen würde, sagte Laschet. Pauschal sei daher die Forderung, nicht entschädigungslos stillzulegen, falsch. „Im Einzelfall ist es aber richtig, dass bei der Steinkohle nachgebessert werden muss.“
Die Stadtwerke Dortmund bezeichneten die Regierungspläne zum Kohleausstieg als juristisch fragwürdig, inhaltlich nicht nachvollziehbar und somit nicht akzeptabel. Der Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen, Michael Ebling, forderte verlässliche Rahmenbedingungen für Kraftwerksbetreiber: „Das heißt: Zum einen angemessene Entschädigung für Eingriffe in das Eigentum.“ Zum anderen sei es aber mindestens genauso wichtig, dass die Kommunen und ihre Stadtwerke beim Wechsel von Kohle auf die Kraft-Wärme-Kopplung mit Gas nicht allein gelassen werden.