Raumfahrt:Langer Marsch zum Mars

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Die "Langer Marsch 5" mit dem Lander "Tianwen-1" im Frachtraum, kurz nach dem Start am Donnerstag. (Foto: Roman Balandin via www.imago-images.de/imago images/ITAR-TASS)

Soeben hat China eine erste eigene Sonde zum Roten Planeten geschickt. Die Mission dient auch als Machtdemonstration - sollte sie gelingen.

Von Christoph Giesen und Patrick Illinger

China ist unterwegs zum Mars. Mit einer technisch anspruchsvollen Mission versucht die Volksrepublik, sich in die Reihe der Nationen einzugliedern, die bereits Forschungsgeräte zum Roten Planeten geschickt haben. Um 12.41 Uhr Ortszeit hob am Donnerstag eine Rakete vom neuen Typ Langer Marsch 5 vom Weltraumbahnhof auf der Insel Hainan im Südchinesischen Meer ab. Wie groß die Ambitionen sind, verrät bereits der Name der Mission. Tianwen-1 lässt sich mit "Fragen an den Himmel" übersetzen und stammt aus einem Gedicht des großen chinesischen Poeten Qu Yuan, der etwa 340 bis 278 vor Christus gelebt hat.

Teil von Tianwen-1 ist ein kleines autonomes Fahrzeug, ein sogenannter Rover, der im Frühsommer des kommenden Jahres mit einem komplizierten Manöver auf der Marsoberfläche abgesetzt werden soll.

Die "Sieben Minuten des Terrors" werden Mars-Landungen bei der Nasa genannt. Das Landegerät muss seine Geschwindigkeit von 20 000 Kilometer pro Stunde beinahe komplett abbremsen. Da der Mars eine wenn auch dünne Atmosphäre besitzt, ist ein Hitzeschild notwendig. Das chinesische Landegerät soll mithilfe eines Fallschirms sowie Raketendüsen etwa 100 Meter über der Oberfläche schweben, zunächst den besten Landeort auskundschaften und ansteuern.

Sollte das gelingen, wäre China nach den Vereinigten Staaten die zweite Nation, die die Oberfläche unseres Nachbarplaneten mit einem mobilen Vehikel erkundet. Ein weiteres Forschungsgerät ist eine Sonde, die den Mars umkreisen soll. Die Kombination dieser beiden Raumfahrzeuge in einer Mission ist ein Novum in der mehr als 50-jährigen Geschichte der Marserkundung. Und auch ein politisches Projekt.

Schon bald könnten Europäer und Amerikaner in Peking anfragen, ob sie mitforschen dürfen

Die chinesische Raumfahrt ist vergleichsweise jung: Als Neil Armstrong 1969 zum Mond flog, steckte die Volksrepublik in der Kulturrevolution. Die meisten Chinesen erfuhren von der Landung erst Jahre später. Erst 1991 schlug die Chinesische Akademie der Wissenschaften eine eigene Monderkundungsmission vor, 2003 flog der erste Chinese ins All, 2007 umkreiste die Sonde Chang'e-1 den Erdtrabanten. 2022 soll eine eigene Raumstation einsatzbereit sein, zwei Jahre bevor die Internationale Raumstation ISS voraussichtlich ihren Betrieb einstellt. An der ISS war chinesischen Forschern vom US-Kongress aus Furcht vor Spionage die Arbeit noch verwehrt worden. Schon bald könnten Europäer und Amerikaner in Peking anfragen, ob sie mitforschen dürfen.

Die Kommunistische Partei schlachtet die Erfolge im Weltraum natürlich auch propagandistisch aus: Seht her, was uns gelungen ist, tönt es in den Staatsmedien. Die Volkszeitung schrieb bereits wenige Minuten nach dem Start, dass das Tianwen-Projekt die Entschlossenheit und Beharrlichkeit der Chinesen widerspiegele, weiter den Weltraum zu erkunden.

Der bislang größte Coup glückte der chinesischen Raumfahrt Anfang 2019. Damals landete die Raumsonde Chang'e 4 im Von-Kármán-Krater auf der Rückseite des Mondes. Ein schwieriges Manöver, die Gegend liegt im Funkschatten der Erde. Keine andere Nation hat das bislang geschafft.

Chinas erster Versuch, mit einer Forschungssonde am Roten Planeten Präsenz zu zeigen, war 2011 hingegen gescheitert. Damals hatte man einem russischen Raumschiff eine Forschungssonde aufgesattelt. Diese konnte das Schwerefeld der Erde jedoch nicht verlassen. Nun ist China mit einer vollständig eigenen Mission unterwegs.

Die Sonde soll nach Wasser und Rohstoffen suchen

Die Geschichte der Marserkundung reicht bis in die 1960er-Jahre zurück und ist auch eine Geschichte des Fehlschläge. Bereits die ersten, damals sowjetischen Marssonden explodierten beim Start oder verloren den Kontakt zu den Bodenstationen auf der Erde. 1965 gelang der Nasa-Mission Mariner 4 ein erster Vorbeiflug am Roten Planeten. 1971 setzte die Sowjetunion mit einem Landegerät auf, das aber nur wenige Sekunden lang funktionierte. Erfolgreich waren die US-Landegeräte Viking 1 und Viking 2, die 1975 und 1976 auf dem Mars aufsetzten und spektakuläre Daten von dessen Oberfläche lieferten. Seither gab es mehrere Dutzend weitere Missionen unterschiedlicher Art, unternommen von diversen Raumfahrtnationen. Erfolgreich war zum Beispiel eine indische Sonde, die 2014 in den Marsorbit einschwenkte. 2017 scheiterte ein Versuch der europäischen Raumfahrtorganisation ESA, ein Landegerät abzusetzen. Vor wenigen Tagen schickten die Vereinigten Arabischen Emirate erstmals eine Sonde zu dem Planeten.

Der Mars ist somit neben dem Mond der am besten erforschte Himmelskörper außerhalb der Erde. Eine erfolgreiche Marsmission ist natürlich - wie für Peking - eine Prestigeangelegenheit. Doch nicht nur das: Der Mars könnte der nächste Platz im All sein, zu dem Menschen vordringen. Die USA, aber auch andere Nationen liebäugeln damit, erste Raumfahrer auf den Weg zu schicken.

Doch zuvor soll Chinas Tianwen-1-Mission im kommenden Februar den Roten Planeten erreichen. Einige Monate später soll das Landegerät in einer großen Ebene auf der Nordhalbkugel des Mars abgesetzt werden. Etwa 90 Marstage lang soll der chinesische Rover seine Umgebung erkunden - mit diversen Kameras, Radargeräten und wärmeempfindlichen Sensoren. Der Orbiter wird derweil den Mars in einer stark elliptischen Umlaufbahn umkreisen, die dem Planeten an der engsten Stelle bis auf 265 Kilometer nahe kommt. Die auch nach 50 Jahren der Marserkundung noch spannenden Fragen sind: Gab oder gibt es Leben auf dem Roten Planeten - und seien es nur Mikroben? Gibt es genügend Wasser, um eine erste menschliche Kolonie zu versorgen? Gibt es Rohstoffe, die zum Aufbau einer dauerhaften Station dienen könnten? Kritiker der bemannten Raumfahrt sind zwar ebenfalls an diesen Fragen interessiert, betonen jedoch, dass vordringlich ein anderer Lebensraum erkundet und bewahrt werden sollte: ein Planet namens Erde, der heute bereits rund acht Milliarden Menschen beherbergt.

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