Wetter:So wenig Blitze wie seit 30 Jahren nicht

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Blitze entladen sich im Mai 2022 aus einer Gewitterwolke über der Ortschaft Rattelsdorf in Bayern. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Der vergangene Sommer war einer der trockensten seit Aufzeichnungsbeginn - und einer der blitzärmsten. Nur halb so oft wie noch 2021 kam es zu Blitzeinschlägen.

Von Saladin Salem

242 421 mal hat es im vergangenen Jahr in Deutschland geblitzt. Das war nur halb so oft wie ein Jahr zuvor und so wenig wie seit 30 Jahren nicht mehr, wie der Blitz-Informationsdienst von Siemens (Blids) für das Jahr 2022 erfasste. Dessen Leiter, Stephan Thern, macht die Trockenheit als einen wesentlichen Grund für die Zahlen aus.

"Im Sommer, vor allem im Juli und August, herrschte teilweise extreme Dürre bei hohen Temperaturen über 35 Grad", sagte Thern. "Für Gewitter braucht es aber beides: Feuchtigkeit und heiße Temperaturen." Der Sommer 2022 war laut Deutschem Wetterdienst (DWD) allerdings einer der trockensten seit Aufzeichnungsbeginn.

Typischerweise fällt die Hauptgewitter-Saison in die Sommermonate. Der blitzreichste Monat 2022 war der Juni, der noch nicht von einer starken Trockenheit ausgebremst wurde, mit bundesweit 65 969 Einschlägen. Bereits im Juli 2022 zählte das System deutschlandweit aber nur 31 040 Blitze, weniger als ein Drittel des Wertes aus dem Vorjahr.

Auch der DWD betont, dass die Zahl der Gewitter und Blitze vor allem auf die Trockenheit zurückzuführen sei. "Das geht Hand in Hand", sagte ein Sprecher im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Auch die Klimaerwärmung sei aber ein Faktor. "Wenn es zu Gewittern kommt, fallen diese heftiger aus", so der DWD-Sprecher.

In Süddeutschland blitzt es am häufigsten

Das bayerische Kempten führt laut der Siemens-Daten das deutsche Blitz-Ranking an. Mit 2,45 Einschlägen pro Quadratkilometer wurde dort die bundesweit höchste Blitzdichte aller Landkreise, Kreise und kreisfreien Städte verzeichnet. Das ist allerdings vergleichsweise wenig. 2021 hätte der Wert nur für Platz 58 gereicht - der damalige Blitzhotspot Starnberg kam auf mehr als das Dreifache.

Am anderen Ende der Skala liegen die Städte Brandenburg an der Havel mit 0,04 und Hof mit 0,07 Blitzen pro Quadratkilometer - beziehungsweise lediglich 10 und 4 Blitzen im ganzen Jahr.

Dass die Statistik für den bergigen Süden Deutschlands höher ausfalle, ist dem DWD zufolge nicht ungewöhnlich. "Dort bilden sich leichter Gewitterwolken", so der DWD-Sprecher, denn es herrschten stärkere Aufwinde.

Die höchste Blitzdichte aller Bundesländer hatte Baden-Württemberg mit 0,97 Blitzen pro Quadratkilometer vor Bayern mit 0,85 und Hamburg mit 0,81. Die niedrigsten Werte gab es in Thüringen mit 0,39, Bremen mit 0,41 sowie Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen mit je 0,43.

Die Bundesrepublik liegt mit durchschnittlich 0,7 Blitzen pro Quadratkilometer im Vergleich mit ihren Nachbarn im Mittelfeld. Die höchsten Blitzdichten in Europa verzeichneten 2022 Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Slowenien. Die niedrigsten gab es in Irland. In Montenegro blitzte es demnach im Schnitt mehr als sechs Mal so viel wie in Deutschland.

Weniger Blitze heißt auch: weniger Schäden

Durch die vergleichsweise geringe Anzahl an Blitzen sank 2022 auch der durch diese verursachte Schaden, wenn auch nicht ganz so deutlich. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft zählte 160 000 Blitz- und Überspannungsschäden mit versicherten Schäden in Höhe von 170 Millionen Euro. Das waren 50 000 Schadensfälle und 40 Millionen Euro weniger als 2021.

Für diesen Sommer sieht der Deutsche Wetterdienst bisher eine andere Wetterlage als noch im vergangenen Jahr. Besonders in den vergangenen Wochen sei es immer wieder zu Unwettersituationen und Gewitterlagen gekommen. Im Juni sei es regional zu Starkregen oder extremer Trockenheit gekommen, schreibt der DWD in einer Pressemitteilung. Im Juli sei es besonders in der letzten Monatswoche täglich zu Schauern, Gewitter und Starkregen gekommen. Im Vergleich zum Zeitraum von 1961 bis 1990 habe es sogar 30 Prozent mehr Niederschlag gegeben.

Ein Team von Atmosphärenwissenschaftlern und Statistikern der Universität Innsbruck konnte in einer Studie aus diesem Jahr zeigen, dass sich die Blitzaktivität in den Hochalpen in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den 80er-Jahren in etwa verdoppelt hat. Vor allem im Juni - allgemein der Monat mit der stärksten Gewitterneigung - ist die Wahrscheinlichkeit, beim Wandern in den Alpen in ein Unwetter zu geraten, demnach deutlich gestiegen. Zugleich hat sich die Gewittersaison, die typischerweise von Mai bis September geht, etwas verlängert.

Der Blitz-Informationsdienst von Siemens ortet Gewitterblitze in mehreren europäischen Staaten und stellt die Daten nach eigenen Angaben Wetterdiensten, Unternehmen, Industrie und Versicherungsgesellschaften zur Verfügung. Dafür würden über 155 Messstationen in Europa verwendet, die Blitzeinschläge auf bis zu 50 Meter genau verorten können. Aus den gewonnen Erkenntnissen würden auch zügig Warnhinweise zu Gewittern erstellt, heißt es auf der Website des Dienstes. Die Messungen werden seit 1991 durchgeführt.

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