Weltraumwetter:Die Bahn hat viele Probleme, Sonnenstürme sind keins davon

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Im Zweifel rot: Dass ein Signal wegen eines Sonnensturms irrtümlich grün leuchtet, obwohl bereits ein Zug auf der Strecke ist, hält die Deutsche Bahn für ausgeschlossen. (Foto: Christoph Schmidt/picture alliance / dpa)

Forscher warnen, dass Sonnenstürme ältere Zugsignale von Rot auf Grün schalten könnten. Aber ist das realistisch?

Von Sina Metz

Beim Zugfahren in Deutschland hakt es an vielen Stellen: fehlendes Personal, defekte Stellwerke, marode Schienennetze. Zuletzt blieben viele Züge stehen, weil der Schnee reihenweise Bäume an Gleisen fällte. Laut einer aktuellen Studie im Fachmagazin Space Weather gibt es aber noch ein anderes Problem: Sonnenstürme könnten Zugsignale beeinträchtigen und sie von Rot auf Grün umspringen lassen, sodass Zusammenstöße drohen.

So lautet zumindest das Ergebnis einer Computersimulation von britischen und kanadischen Wissenschaftlern um Cameron Patterson von der Lancaster University in Großbritannien. Der Physiker erforscht, wie Weltraumwetter den Zugverkehr beeinflusst. Schon kleine Sonnenstürme, mit denen alle zehn bis zwanzig Jahre zu rechnen ist, könnten demnach zu empfindlichen Störungen bei älteren Gleisfreimeldeanlagen führen.

Bei solchen Anlagen, von denen es nach Angaben der Autoren zumindest im Vereinigten Königreich noch Tausende gibt, sind die Bahnstrecken in Streckenblöcke eingeteilt. Auf den Strecken von Glasgow nach Edinburgh und von Preston nach Lancaster, die die Autoren betrachtet haben, sind diese Blöcke etwa einen halben Kilometer bis zwei Kilometer lang. Am Anfang eines Blocks befindet sich ein Relaisschalter, der Strom aus einer Quelle am Ende des Blocks erhält. Befindet sich kein Zug im Streckenblock, dann ist der Stromkreis über die Schienen geschlossen, das Relais erhält Strom und das Bahnsignal leuchtet grün: Die Strecke ist frei! Wenn sich ein Zug im Gleis befindet, sorgen dessen Räder und Achsen für einen Kurzschluss: Das Relais erhält keinen Strom und lässt das Signal auf Rot springen.

In Schweden soll die Sonne 1982 ein Signal auf Grün geschaltet haben

Bei einem Sonnensturm schleudert die Sonne energiereiche geladene Teilchen ins All. Wenn diese auf das Magnetfeld der Erde prallen, können sie es verformen. In der Folge entstehen starke Polarlichter, aber auch Stromnetze können beeinträchtigt werden. Geomagnetisch induzierte Ströme als Folge eines Sonnensturms könnten also theoretisch auch Regelkreise in Bahnnetzen stören. Aber reicht das, um ein Signal umzuschalten?

Die Forscher bauten die Gleisfreimeldeanlagen auf den beiden britischen Streckenabschnitten in einem Computermodell nach und simulierten dann Ströme, wie sie durch Sonnenstürme entstehen könnten. "Unsere Untersuchungen zeigen, dass das Weltraumwetter ein ernstes, wenn auch relativ seltenes Risiko für das Eisenbahnsignalsystem darstellt, das zu Verzögerungen führen oder sogar schwerwiegendere Auswirkungen auf die Sicherheit haben könnte", erklärt Patterson in einer Mitteilung seiner Universität.

Die Forscher um Patterson berichten von einem solchen Fall in Schweden im Juli 1982: Demnach ließ ein geomagnetischer Sturm ein Signal von Grün auf Rot und wieder auf Grün wechseln, obwohl sich kein Zug auf der Strecke befand oder andere Fehlerbedingungen vorlagen. Die Studienautoren verweisen auch auf frühere statistische Analysen, die einen Anstieg der Zahl unerklärlicher Signalfehlfunktionen in Zeiten hoher geomagnetischer Aktivität ermittelt hätten. Über ihre eigene Studie schreiben sie selbst, dass die Computersimulationen noch durch Experimente überprüft werden müssen.

Sollte man sich beim Bahnfahren also künftig nicht nur über Verspätungen ärgern, sondern auch noch wegen drohender Gefahren aus dem All gruseln? Zumindest für Deutschland gibt die Deutsche Bahn Entwarnung: "Wir können ausschließen, dass Sicherungsanlagen der Deutschen Bahn wegen Sonnenstürmen ungewollt ein Gleis freigeben und Signale grünes Licht zeigen", sagt ein Sprecher auf Anfrage. Die Stromkreise der Gleisfreimeldeanlagen der DB seien so kurz, dass eine von einem Sonnensturm ausgelöste Induktionsspannung nicht ausreicht, um ein Signal zu manipulieren.

Zudem benötigten die Sicherungsanlagen neben dem reinen Stromfluss laut DB-Sprecher "zusätzlich eine besondere Frequenz oder Impulse, um ein Signal auf Grün zu stellen. Diese wird durch die Spannungsinduktion nicht hergestellt". Im Störungsfall zeigten die Signale immer Rot. Dieser Sicherheitsmechanismus halte Züge an, bis das Gleis für die Weiterfahrt als frei gemeldet werde.

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