Wintereinbruch:Warum so viele Bäume unter dem Schnee zusammenbrechen

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Schnee und Glätte haben in Teilen Deutschlands für chaotische Verhältnisse gesorgt und viele Bäume umstürzen lassen. (Foto: Helmut Fricke/dpa)

Nach den schweren Schneefällen krachen Bäume um und stürzen auf Straßen oder Gleise. Ist das normal, oder haben Trockenheit und Klimawandel ihre Spuren hinterlassen?

Von Sina Metz

Ein kleiner roter Kreis mit weißem Ausrufezeichen in der Bahn-App. Reisende wissen, dass das nichts Gutes bedeutet: "Verbindung fällt aus." Die Warnung leuchtet seit Samstag noch häufiger als sonst in der App und auf der Webseite der Bahn auf, seit in München fast ein halber Meter Schnee in kurzer Zeit gefallen ist. Die Schneemassen hatten den Bahn- und Straßenverkehr in Süddeutschland lahmgelegt. "Immer wieder stürzen Bäume unter der Last von Eis und Schnee auf Gleise und Oberleitungen", teilte eine Bahn-Sprecherin der Nachrichtenagentur DPA mit. Dann müssen Räumkräfte und Techniker mit schwerem Gerät anrücken, um Straßen wie Gleise zu befreien.

Drückt das Gewicht des Schnees zu sehr, kann es zum Schneebruch kommen: Äste oder Kronen brechen ab, oder die Stämme knicken um. "Selbst gesunde Bäume können unter der Schneelast zusammenbrechen, wenn sie zu hoch wird", sagt Gernot Hoch vom österreichischen Bundesforschungszentrum für Wald (BFW). Gerade wenn Schneefälle lange anhalten und viel gefrorenen Niederschlag mitbringen, steigt das Risiko eines Schneebruchs.

Am vergangenen Wochenende schneite es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Dabei fiel viel nasser Schnee - und der lastet besonders schwer auf Bäumen. "Je feuchter der Schnee, desto schwerer wird er", sagt Hoch, der am BFW das Institut für Waldschutz leitet. Nassschnee kann ein Vielfaches von frisch gefallenem, trockenem Pulverschnee wiegen.

"Ein Baum bricht leichter, wenn die Krone beschädigt oder das Wurzelsystem geschwächt ist"

Zudem war es im Süden Deutschlands recht windstill. Lockeren Neuschnee hätte der Wind sonst leicht von den Bäumen geweht. Gefriert Schnee an den Bäumen, bleibt er relativ lange auf ihnen liegen. "Gerade, wenn sehr viel Schnee bei den kalten Temperaturen auf den Bäumen haften bleibt, kann die Schneelast so hoch werden, dass die Bäume ihr mechanisch nicht mehr standhalten können", sagt Forstwissenschaftler Hoch.

Und noch etwas kam dazu: Der Herbst zog sich lange hin, der Wintereinbruch kam plötzlich, vielerorts trugen Laubbäume noch Blätter. Mit dem Laubgewand steigt die Fläche, auf der Schnee liegen bleiben kann, und mit ihr die Last, die auf die Bäume und Äste drückt.

Also alles ganz normal? Oder haben die Trockenheit und milde Winter der letzten Jahre ihre Spuren hinterlassen? "Welche Rolle der Klimawandel spielt, kann man nicht pauschal sagen. Ein Baum bricht leichter, wenn die Krone beschädigt oder das Wurzelsystem geschwächt ist. Das kann aber verschiedene Ursachen wie etwa Pilzbefall haben", sagt Hoch.

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Tanja Sanders erforscht am Thünen-Institut in Eberswalde Waldökosysteme. Dabei untersucht sie auch Spätholz, das dem Baum Stabilität verleiht. Durch die Trockenheit der vergangenen Jahre ist es schmaler geworden. "Mittelfristig nehmen wir an, dass die Bäume etwas instabiler werden", sagt die Expertin für Waldanpassung. "Aber den Effekt beobachten wir vermehrt seit 2018, bei 80 bis 100 Jahre alten Bäumen ist dieses fünf Jahre dünnere Spätholz nicht entscheidend."

In Gebieten mit regelmäßigem Schneefall können sich Bäume an die Schneelast anpassen, indem sie ihre Kronenform verändern. "Bäume, welche nur selten eine hohe Schneelast haben, sind anfälliger", sagt Sanders.

Sie sieht das Problem noch woanders: Wo viel Aufforstung stattfindet, sind die Bäume anfällig für Schneebruch. Junge Bäume schießen erst in die Höhe und nehmen mit der Zeit an Umfang zu. Sie können schlechter mit der mechanischen Belastung umgehen als älterer Bestand. Sehr alte, morsche oder vorgeschädigte Bäume auf der anderen Seite brechen schneller, wenn man Druck ausübt.

In den kommenden Tagen bleibe die winterliche Lage größtenteils erhalten, heißt es vom Deutschen Wetterdienst. Doch in der Südwesthälfte werde es mit drei bis sieben Grad milder. Tauwetter - also Entlastung für die Bäume? "Wenn es jetzt taut, fließt das Wasser ab, die Last auf den Bäumen sinkt", sagt Gernot Hoch. "Problematisch wäre, wenn es jetzt noch einmal massiv auf den Schnee auf den Bäumen schneit oder regnet." Dann steige die Last enorm.

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