Artenvielfalt:König unter Druck

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Ein Löwe in Benins Pendjari-Nationalpark (Foto: Reuters)

In Westafrika werden die Löwen wohl aussterben, und auch anderswo geht es den Raubkatzen nicht gut. Denn die Menschen haben mit ihnen ein Problem. Dabei geht es nicht so sehr um Angriffe der Raubkatzen auf Menschen. Bauern sehen sie vor allem als Bedrohung für ihr Vieh. Dabei gäbe es eine einfache Lösung.

Von Katrin Blawat

Dem König geht es nicht gut. Er verliert Jagdgründe und Nahrung, und wird darüber hinaus auch noch von einem Gegner bekämpft, der sich oft selbst zu gern selbst als Herrscher begreift: vom Menschen. Der setzt mit Gift und Gewehren alles daran, den Löwen aus Afrika zu vertreiben. Und ist damit erschreckend erfolgreich, wie mehrere aktuelle Datensätze zeigen.

Längst sind die "Könige der Savanne" zu Gejagten, bestenfalls zu Geduldeten geworden. "Die Zahl der Löwen ist in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zurückgegangen", schließen die Autoren einer aktuellen Science-Studie aus den Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN.

Deren Schätzungen zufolge gibt es derzeit noch etwa 32.000 bis 35.000 Löwen. Vor 30 Jahren war die Population vermutlich noch knapp um die Hälfte, vor 20 Jahren immerhin noch um ein Drittel größer. Die meisten Löwen leben in Afrika südlich der Sahara. Eine sehr kleine Population hält sich - noch - in Indien, und eine weitere Gruppe lebt in Westafrika. Doch wie lange noch?

Für den westafrikanischen Löwen besteht laut der IUCN ein "extrem hohes Risiko", dass er "in unmittelbarer Zukunft in der Natur ausstirbt". Dann hätte der König der Tiere einen bedeutenden Teil seines Reiches verloren - für immer wahrscheinlich.

Es gibt nur noch wenige Löwen in Westafrika (Foto: Stephane de Sakutin/AFP)

Der westafrikanische Löwe unterscheidet sich äußerlich und genetisch von seinen Artgenossen in Süd- und Ostafrika. Er ist zierlicher, die Mähne des Männchens ist weniger üppig. Zu Vermischungen zwischen den Tieren in den verschiedenen Kontinentteile kommt es nach derzeitigem Wissen nicht. Ob es sich beim westafrikanischen Löwen um eine eigene Unterart oder lediglich eine gesonderte Population handelt, untersucht die IUCN derzeit.

Klar ist nun allerdings, dass es nur noch sehr wenige Löwen in Westafrika gibt. Dem Papier nach sieht deren Lage so schlecht gar nicht aus. Immerhin sind in Westafrika mindestens 20 Schutzgebiete ausgewiesen, die den Raubkatzen als Lebensraum dienen sollen. Tatsächlich aber, so zeigt eine aktuelle Bestandsaufnahme, leben die Raubkatzen nur noch in vier dieser Areale ( Plos One, online). Insgesamt dürften es etwa 400 Löwen sein, davon vermutlich 250 geschlechtsreife.

Die aktuelle Bestandsaufnahme umfasste sechs Jahre und elf westafrikanische Länder. Fast alle der Raubkatzen entdeckten die Autoren um Philipp Henschel von der amerikanischen Raubkatzen-Schutzorganisation Panthera in einem Schutzgebiet, das Teile Benins, Burkina Fasos und Nigers umfasst. Die anderen drei Areale sind jeweils mit weniger als 50 Tieren besiedelt. "Der Löwe hat in Westafrika einen katastrophalen Kollaps erlitten", bilanzieren die Autoren. Ob er gerettet werden kann, ist ungewiss.

Ganz so schlecht steht es um die Artgenossen südlich der Sahara nicht. Insgesamt stuft die IUCN Löwen als "verletzlich" ein, also in die erste von drei Gefährdungsstufen. Doch das Grundproblem ist überall auf dem Kontinent das gleiche: Mensch und Löwe kommen auf engem Raum nur sehr schlecht miteinander klar.

Dabei geht es weniger um Angriffe der Raubkatzen auf Menschen, die in Westafrika kaum vorkommen. Vielmehr sehen die Bauern im Löwen eine Bedrohung für ihr Vieh, außerdem konkurrieren Mensch und Raubkatze oft um die gleichen Beutetiere. Selbst wenn man Homo sapiens und Panthera leo voneinander zu trennen versucht - etwa mithilfe ausgewiesener Schutzgebiete - funktioniert das Nebeneinander oft nicht.

Deutlich zeigt sich das im Westen Afrikas. Formal gesehen mangelt es dort nicht an Lebensraum für die Raubkatzen. Doch damit die Areale wirklich nützen, müssen sie kontrolliert und verwaltet werden. Es braucht Wildhüter, die die Gebiete vor der Nutzung durch die heimischen Bauern, vor Jägern und Wilderern bewahren. Doch das dafür nötige Geld haben viele Länder nicht.

Die Folgen beschreiben Henschel und seine Ko-Autoren: In einem der vier Schutzgebiete, in denen noch Löwen leben, wurden zuweilen mehr als 50.000 Nutztiere wie Rinder gezählt. Deren Grasen verändert nicht nur die Ökologie der Reservate sondern vor allem auch die Auffassung, wer Rücksicht auf wen nehmen muss. Wo das Vieh weidet, gilt der Löwe oft als Bedrohung - sogar in einem eigens für ihn errichteten Schutzgebiet. Mit Gift und Gewehren wird er von dort vertrieben.

Als weiteren wichtigen Faktor für den Rückgang der Löwenpopulation macht das Team um Henschel die verstärkte Jagd auf Buschfleisch aus. Die Menschen erlegen Gazellen, Springböcke, Affen und andere Tiere, die Löwen normalerweise als Beute dienen. Der Handel mit dem Buschfleisch floriert zunehmend nicht nur auf den heimischen Märkten, sondern auch im Ausland.

Haben die Raubkatzen trotzdem noch eine Chance? Ja, meinen viele Experten - wenn sich einiges ändert am Schutz der Raubkatzen. So nützt das schönste Reservat nichts, wenn dort immer wieder Bauern mit ihren Herden eindringen, um beispielsweise innerhalb des Areals eine Wasserstelle aufzusuchen. Um die Löwen zu schützen, solle man versuchen, dem Vieh auch außerhalb der Schutzgebiete besseren Zugang zu Wasser zu verschaffen, schlagen daher Henschel und seine Mitautoren vor.

Vor allem aber, so fordern Löwen-Forscher um den Ökologen Etotepe Sogbohossou von der Universität Abomey-Calavi in Benin, müssten die Bedürfnisse und Traditionen der afrikanischen Viehhalter stärker berücksichtigt werden. Eigentlich, so sollte man denken, wäre das nicht allzu schwer: Sicher umzäunte Gehege haben sich als sehr wirksam erwiesen.

Nur ist diese Art der Viehhaltung bei den örtlichen Bauern alles andere als beliebt. Sogar wenn Einfriedungen bereits vorhanden sind, nutzen die Landwirte sie oft nicht, haben Sogbohossou und seine Kollegen beobachtet. Weit verbreitet ist hingegen eine andere, aus westlicher Sicht bizarre Praxis: Da werden Schamanen bezahlt und sündteure Amulette gekauft, statt das Vieh in ein Gehege zu sperren. "Jeder, den wir trafen, investierte große Summen Geld - im Durchschnitt etwa so viel, wie eine Herde Vieh pro Jahr kostet - in Zauberei", schreiben Sogbohossou und seine Kollegen in der Fachzeitschrift Mammalia. Solche Riten als Unsinn abzutun, sei indes der falsche Weg, um Mensch und Tier zu helfen, betonen die Forscher.

Dabei würde es sich für alle Seiten lohnen, könnten Bauern und Raubkatzen miteinander leben. Löwen haben einen gewaltigen Einfluss auf das gesamte Ökosystem der Savanne, und so hat ihr Schwinden auch negative Folgen für den Menschen. Sinkt die Zahl der großen Raubkatzen, machen sich andere Tiere breit - vor allem Olivenpaviane, zeigt die aktuelle Studie in Science. Die Affen würden die Felder der Bauern erheblich zerstören, schreibt das Team um William Ripple von der Oregon State University. Um die Ernte zu schützen, müssten Kinder helfen und dafür auf die Schule verzichten.

Verliert also der König der Savanne sein Reich, trifft das auch seinen ärgsten Feind - den Menschen.

© SZ vom 15.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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