Mit einem großen Erfolg ist die Konferenz des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) zu Ende gegangen. Alle 132 Mitgliedstaaten haben in Paris ihre Unterschrift unter einen Bericht gesetzt, in dem es um den Zustand der Arten und der Ökosysteme auf der ganzen Welt geht. Der genaue Inhalt wird zwar erst am Montag veröffentlicht, doch schon jetzt ist klar, dass die Einigung einen nicht zu unterschätzenden Fortschritt bedeutet. Manche sprechen bereits vom 1,5-Grad-Moment des Artenschutzes.
Der IPBES ist das Pendant zum Weltklimarat IPCC, dessen Berichte Wegbereiter für das Pariser Klimaschutzabkommen waren. In dem wurde im Jahr 2015 erstmals das Ziel formuliert, den Anstieg der Temperatur auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, um die Risiken des Klimawandels möglichst gering zu halten. "Der IPBES-Bericht hat genau diese Flughöhe und muss von den Politikern auch genauso ernst genommen werden", sagt Günter Mitlacher, der bei der Umweltschutzorganisation WWF die Abteilung Internationale Biodiversitätspolitik leitet und die Verhandlungen in Paris verfolgt hat.
Um den 1000 Seiten starken Bericht und die dazugehörige "Zusammenfassung für Politiker" zu erstellen, haben 150 Experten aus 50 Ländern drei Jahre lang Tausende von Studien ausgewertet. Die Unterschriften unter dieses beeindruckende Dokument, in dem das gesammelte Wissen über den Zustand der Erde zusammengefasst ist, bedeuten zwar nicht, dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind, alle Empfehlungen der IPBES-Experten umzusetzen. Doch die Einigung auf einen wissenschaftlich fundierten Sachstand ist zumindest ein Anfang - eine Basis, auf der man in Zukunft gemeinsam nach Lösungen suchen kann. "Wir brauchen diesen Bericht, um die Diskussionen über die Biodiversität voranzutreiben und eine Strategie für die nächsten zehn Jahre zu erarbeiten", sagt Mitlacher. Die Verhandlungen in Paris bezeichnet er als "sehr konstruktiv", allerdings hätten Experten und Politiker mehrere Nächte durchdiskutiert, bis das Dokument unterschriftenreif war.
Das sechste große Artensterben
Schon lange ist unter Experten unstrittig, dass sich gerade das sechste große Artensterben der Erdgeschichte ereignet. Als fünftes Ereignis dieser Art führen Biologen das Aussterben der Dinosaurier. Ein Problem ist allerdings, dass man über viele Tiere und Pflanzen viel zu wenig weiß, um Ausmaß und Konsequenzen des Verlustes beurteilen zu können. Mit am besten erforscht sind die Amphibien. Bereits in den 1980er Jahren fiel Biologen auf, dass Frösche, Kröten, Molche und Lurche in vielen Regionen der Welt dezimiert wurden. Verlässliche Daten gibt es auch zu den Vögeln in Europa. Sie zeigen, dass besonders solche Arten, die in der Agrarlandschaft leben, unter Druck stehen. Deutlich dünner ist das Wissen über die Insekten. Die bekannteste Studie zum Insektenschwund stammt aus Deutschland und belegt, dass die Zahl der Insekten in den vergangenen 30 Jahren stark zurückgegangen ist.
"Vor allem die Landnutzung zeichnet sich seit langem als entscheidender Treiber des Biodiversitätsverlusts einschließlich des Insektenschwundes ab", sagt Josef Settele, Agrarwissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig und Co-Vorsitzender des IPBES. Deren Analyse habe deshalb einen besonders wichtigen Teil der Arbeit an dem jetzt unterzeichneten Bericht ausgemacht.
Auch Umweltschützer weisen schon lange auf den Artenschwund hin, finden aber damit nicht halb so viel Aufmerksamkeit wie etwa die Erderhitzung. "Die Kurven gehen alle in die falsche Richtung." Umweltgruppen verlangen unter anderem eine Umkehr in der EU-Agrarpolitik. "Die immer intensivere Landwirtschaft ist der Haupttreiber für das Artensterben, nicht nur in Europa", sagt Konstantin Kreiser, Artenschutz-Experte beim Naturschutzbund Nabu. Auch brauche es eine internationale Verständigung auf mehr Schutzgebiete, in denen sich bedrohte Arten erholen können.
Während aber die Staaten zum Klimaschutz jedes Jahr auf Ministerebene zusammenkommen, tagt die Konvention zur biologischen Vielfalt nur alle zwei Jahre - das nächste Mal 2020 in Peking. Dort müssten dem Bericht nun Taten folgen, sagt Georg Schwede von der Organisation Campaign for Nature, auch Deutschland und die EU müssten Druck machen. "Sonst wird der IPBES-Bericht kein Weckruf, sondern allenfalls eine Konkurserklärung zur Artenvielfalt."
Am Montag soll der Bericht auch bei der G7-Umweltministertagung im französischen Metz vorgestellt werden.