Biologie:Der Nachwuchs trinkt aus der Kloake

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Jungtiere einer Ringelwühle drängen sich um deren Hinterteil. (Foto: Carlos Jared)

Schleichenlurche legen Eier, scheiden aber für die geschlüpften Jungtiere zusätzlich einen milchartigen Nährstoff aus. Die urtümlichen Amphibien haben Forscher schon häufiger erschreckt.

Den Nachwuchs mit nährstoffreicher Milch zu päppeln, ist eine typische Eigenschaft von Säugetieren. Entsprechend überrascht waren Forscher, als sie eine Nährmilch produzierende Amphibie entdeckten. Die Eier legende, wurmartige Spezies versorge ihre Jungen mit einer fettstoffreichen Substanz, berichtet das Team im Fachjournal Science. Die Mini-Lurche fordern demnach mehrmals täglich Nahrung ein, und das wohl ähnlich wie Vogelküken mit Lauten und Berührungen.

Abgesehen von Säugetieren, ist bei Wirbeltieren der Dotter des Embryos meist die einzige Nahrungsquelle, die Mütter ihren Nachkommen aus körpereigener Produktion beim Start ins Leben mitgeben. Von bestimmten Spinnen, Kakerlaken, Fischen und Vögeln ist bekannt, dass sie ihre Nachkommen mit nährstoffreicher Substanz füttern, die funktionell der Säugetiermilch ähnelt.

Das Team um Carlos Jared vom Instituto Butantan in São Paulo hat nun das Verhalten der Ringelwühle ( Siphonops annulatus) in Südamerika untersucht, einer unterirdisch lebenden Art der Schleichenlurche. 16 Weibchen mit je vier bis 13 Jungen wurden einbezogen. Beobachtet wurde, dass die Nachkommen eine hochviskose Substanz vom Auslass am Hinterende der Mutter aufnehmen und danach Anzeichen von Sättigung wie verminderte Aktivität zeigen.

Bekannt war bisher, dass Jungtiere ihren Müttern die Haut vom Körper fressen

Die Jungen werden demnach in den zwei Monaten nach dem Schlüpfen mehrmals am Tag gefüttert, offenbar auf bestimmte Berührungen und ausgestoßene hohe Töne hin. Eine solche Art der Kommunikation zwischen Eltern und Nachwuchs sei bei keiner anderen Amphibie bekannt, erläutern die Forschenden. Produziert werde die lipid- und kohlenhydratreiche Substanz, welche die Forschenden als Milch bezeichnen, in speziellen Drüsen der Eileiter der Mutter.

Eine Ringelwühle behütet ihre Eier. (Foto: Carlos Jared)

Die Ringelwühle Siphonops annulatus ist ohnehin ein außergewöhnliches Amphibium. So produzieren die urtümlichen, bis zu 40 Zentimeter langen und blinden Tiere ein Gift, mit dem sie offenbar Beute oder auch Angreifer schwächen können. Während andere Amphibien ein solches Sekret in ihrer Haut lagern, verfügt die Ringelwühle jedoch über ein Maul mit Giftzähnen, vergleichbar mit Schlangen. Zuletzt fanden Forscher auch heraus, dass die Tiere an beiden Körperenden Schleim absondern, um sich rascher bewegen zu können und Verfolger abzuschrecken. Und auch die Fütterung des Nachwuchses galt bisher schon als eigenwillig.

Dokumentiert ist bei Eier legenden Schleichenlurch-Arten, dass Jungtiere ihrer Mutter über zwei Monate hinweg deren mit Fettstoffen angereicherte Haut vom Körper fressen. Die Mütter verlassen während dieser Zeit ihre Jungen nicht ein einziges Mal, um selbst etwas zu fressen, wie das Team um Jared erläutert. Auch bei Siphonops annulatus gebe es diese Hautfütterung, und die Mütter hätten die meiste Zeit zusammengerollt mit den Jungtieren auf ihrem Rücken an einer Stelle ausgeharrt, hieß es. Hautfütterungen seien jedoch viel seltener beobachtet worden als die Milchfütterung.

Die gute Versorgung hat der Gruppe um Jared zufolge deutliche Auswirkungen: Die Jungen wachsen rasch. Ihre Körpermasse nimmt demnach allein in der ersten Woche nach dem Schlüpfen um etwa 130 Prozent zu.

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