Psychologie:Keine Lust auf Weihnachtsfeier? Macht nichts!

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Ob Firma, Kindergarten oder Sportverein - überall wird nun gefeiert. Das ist manchem zu viel. (Foto: Alvaro Sanchez/Imago)

Viele Menschen scheuen sich, Einladungen abzusagen - und die häufen sich gerade in der Adventszeit unangenehm. Wer fürchtet, die Gastgeber zu verärgern, macht sich manchmal übertrieben große Sorgen.

Von Sebastian Herrmann

Gerade in der Adventszeit kann eine Einladung von Freunden ein feiner Anlass sein, um eingeschnappt zu sein. Das erfordert natürlich eine Erklärung. Also: Im Dezember folgt eine Weihnachtsfeier auf die nächste, Termin um Termin, Glühwein um Glühwein. Wohlmeinende Führungskräfte in der Firma setzen diese Feierlichkeiten an, weil es halt dazugehört. In der Schule der Kinder müssen Adventsmärkte besucht werden, auf denen Geld für karitative Zwecke gesammelt wird. Im Kindergarten hängt eine Liste aus, in der Eltern ihre Verpflegungs- und manchmal Bastelbeiträge für die anstehende Weihnachtsfeier einzutragen haben. Und im Sportverein sollen zusätzliche besinnliche Abende die Feierkondition erhöhen. Dazwischen läuft der sogenannte Alltag weiter - in der verschärften Adventsversion.

Wenn nun Freunde eine zusätzliche Einladung in diese Zeit quetschen, kann man schon ein bisschen beleidigt reagieren. Das bringt einen schließlich in eine blöde Situation: Alle Sehnsucht fokussiert sich auf Ruhe, Einsamkeit und Schweigen auf dem Sofa statt auf eine Feier oder ein gemeinsames Abendessen. Aber abzusagen, ist auch keine gute Option, weil das die Freunde enttäuscht und verärgert. Es kann so schwer sein, Nein zu sagen.

Gastgeber sind gar nicht immer beleidigt, wenn eine Absage kommt

An diesem Punkt tritt der Psychologe Julian Givi auf den Plan, der gerade eine Studie zu genau diesem Dilemma im Journal of Personality and Social Psychology publiziert hat. Die Kernaussage der Arbeit lautet: Halb so wild, eine Absage provoziert gar nicht so viel Ärger, wie lustlose Eingeladene befürchten. Die Gastgeber reagieren mit mehr Milde als erwartet. "Scheuen Sie sich also nicht, hier und da mal eine Einladung abzusagen", sagt Givi in einer Pressemitteilung.

Die unerwünschte Einladung scheint ein weitverbreitetes Phänomen zu sein. In einer Erhebung stellte Givi fest, dass 77 Prozent der Befragten schon zu Anlässen gegangen sind, auf die sie überhaupt keine Lust hatten. Hilfestellung auf dem Weg zu einem künftigen "Nein, ich komme nicht" könnten die weiteren Ergebnisse von Versuchen mit mehreren Hundert Probanden bieten.

In hypothetischen Szenarien und Situationen, in denen unter anderem Paare Einladungen und Absagen an den jeweils anderen formulierten, zeigte sich eine überraschende Sanftmut der Versetzten. Offenbar fokussierten sich diese nicht so stark auf die reine Absage, sondern bedachten auch mögliche Motive dahinter, woraus sich ein gewisses Verständnis speiste. Ähnlich scheint es zu sein, wenn Menschen andere um einen Gefallen bitten, wie Studien gezeigt haben. Auch da fällt es vielen schwer, Nein zu sagen, weil sie niemanden enttäuschen wollen. Und auch hier ist die Sorge wohl übertrieben.

Doch Givi räumt in der Studie an einer winzigen Stelle implizit ein, dass es schon Fingerspitzengefühl brauche. Es mag ja sein, dass Gastgeber nicht so eingeschnappt sind wie befürchtet. Doch das hängt auch vom Anlass ab. Eine Hochzeitseinladung auszuschlagen ist etwas anderes, als auf dem Kindergartenfest zu fehlen. Oft sind übrigens gerade die Feste die besten, auf die man keine Lust hatte - manchmal sogar Weihnachtsfeiern.

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