Tagesgeld:Hilfe, die Zinsen sinken

Lesezeit: 3 min

So sah es 1978 bei einem Schalter in einer Filiale der Stadtsparkasse in Hannover aus - die guten alten Zeiten. Zumindest, was die Zinsen angeht. (Foto: Rust/imago)

Seit mehr als einem Jahr steigen die Zinsen unentwegt. Doch erste Banken streichen ihre Angebote wieder. Was bedeutet das für Sparer?

Von Victor Gojdka

Vielleicht muss man es für eine deutsche Liebenswürdigkeit erachten, dass akribische Bankkunden mit Wörtchen wie "Zinsjäger" und "Zinshopper" versehen werden. Menschen, die auf entsprechenden Internetportalen auch die zweite Nachkommastelle im Blick haben und ihr Tagesgeldkonto verlässlich leerräumen, sobald eine andere Bank mit besseren Prozenten winkt. Als einige Institute von September an gar mit vier Prozent Zinsen warben, schien ein kleines bisschen alte Bundesrepublik aufzuerstehen.

Nun allerdings zeigt sich eine überraschende Kehrtwende: Erste Banken streichen ihre üppigen Tagesgeldkonditionen wieder zusammen. Mit der deutschen Zinsherrlichkeit scheint es schon nach bloß acht Wochen wieder vorbei zu sein. Und das, obwohl viele Notenbanker noch lange nicht an Zinssenkungen denken. "Die Spitzenbanken gehen deutlich runter vom Gas", sagt Kontoexperte Kevin Schwarzinger vom Verbraucherportal Biallo. Müssen diese Nachrichten Sparer erschrecken?

Besonders interessant ist dafür zunächst, welche Banken ihre Zinsangebote zurücknehmen: So war die C24-Bank im September vorgeprescht, hatte als erste deutsche Bank auf dem Tagesgeld vier Prozent Zinsen geboten. Wie sich herausstellte, währte das Zinshoch jedoch nur kurz. Seinen Zins für Neukunden halbierte das Institut, jetzt liegt er gerade noch bei zwei Prozent. Die bisherigen Kunden bekommen bis zum Jahresende weiter vier Prozent Zinsen, neue Kunden müssen sich fortan jedoch mit weniger zufriedengeben. "Da unser Bedarf an großflächigen Einlagenzuflüssen gedeckt ist, haben wir uns dazu entschieden, die Aktion für Neukunden zu beenden", teilte die Bank auf Anfrage mit.

Ganz ähnlich liegt der Fall bei der Neusser Bank11, die wochenlang einen Zins von 4,01 Prozent anbot. Laut Experten war die ungerade Zahl ein cleverer Trick, um sich in den Vergleichsportalen für Zinskonditionen an die Spitze vieler Rankings zu setzen. Doch schon wenige Wochen nach ihrem Schachzug strich die Bank das Zinsangebot für Neukunden zusammen. Wer nun neu zum Institut geht, bekommt bloß ein Prozent Zinsen. "Das war wirklich eine extreme Zinssenkung", sagt Kontoexperte Schwarzinger. Von der Bank heißt es auf Nachfrage, in der Branche seien zeitlich begrenzte Marketingaktionen üblich.

Die beiden Beispiele sind keine Einzelfälle, sondern zeigen einen tieferliegenden Trend bei den Tagesgeldzinsen: Bis vor einigen Tagen waren vier Prozent Zinsen zumindest in der Spitzengruppe deutscher Banken normal, jetzt offeriert bloß noch die Consorsbank ein solches Angebot ( siehe Tabelle).

Für das schnelle Aus der Spitzenangebote gibt es gleich mehrere Gründe. Zunächst einmal bekommen viele Banken mit üppigen Angeboten die große Zahl der Neukunden kaum in den Griff. "Sobald sie einen Spitzenzins bieten, werden sie förmlich überrannt", sagt Kontoexperte Kevin Schwarzinger. Und dann sind die vermeintlich guten Konditionen für viele Banken bloß ein Trick, um neue Kunden zu locken. "Dann können sie den Verkauf von ganz anderen Produkten anschubsen", sagt Bankenprofessor Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanzzentrum.

Vielleicht könnten die Bankzinsen bald wieder angehoben werden

Für Kunden ist die enger werdende Spitzengruppe bei den Kontozinsen zwar ärgerlich, allzu sehr müssen sie sich aber nicht grämen. Viele der Vier-Prozent-Angebote waren von Vornherein zeitlich limitiert: "Kunden müssen sich gut überlegen, ob sie wirklich ständig zwischen Banken hin- und herspringen wollen", sagt Finanzexpertin Anke Behn von der Verbraucherzentrale Bremen.

Wenn man es vor allem einfach haben will, könnte man eine Bank mit dauerhaft soliden Konditionen wählen. Zum Beispiel die Renault Bank Direkt mit 2,9 Prozent Bestandskundenzins. Wer sich die aktuell hohen Zinsen für einen längeren Zeitraum sichern will, muss sowieso über Festgeld nachdenken. Dann könnte man sich bei der PBB Direkt immerhin 4,25 Prozent Zinsen für zehn Jahre sichern - kommt während der Laufzeit aber nicht an sein Geld.

Wer eine solche Langfristspekulation erwägt, bekommt dafür Rückendeckung von Volkswirten: In einer Umfrage des Datendienstes Reuters unter 85 Ökonomen glaubte kein einziger, dass die EZB ihren Leitzins bald noch einmal anhebt. Theoretisch könnten Sparer jedoch die Lage in Nahost und mit ihr die Preisentwicklung beobachten. Vielleicht könnten unerwartet steigende Ölpreise und anziehende Gesamtinflation die Notenbanker zu Zinserhöhungen zwingen - und auch die Bankzinsen wieder in Bewegung bringen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSZ-Serie "Notartermin"
:"Zum Glück bin ich keine Perfektionistin"

Alleinerziehend mit 360 000 Euro Schulden bei der Bank: Als Julia, 40, beim Notar saß, um ein Mehrfamilienhaus zu kaufen, bekam sie Panik. Heute vermietet sie zwei Wohnungen darin und steht zu ihrem Leichtsinn.

Von Felicitas Wilke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: