Da sitzen sie also in ihren Sesseln, der Robert und der David, man muss sich die Namen Englisch ausgesprochen denken. Denn hey, das ist Zalando, we speak English here, alles soll cool und modern wirken. Ach ja, da ist auch noch die Sandra, aber die kommt nur drei Mal zu Wort und beim ersten Mal muss die Finanzchefin und ehemalige McKinsey-Beraterin aus Bayern richtig dazwischengrätschen und sich Frage holen ("That one is for me"), um auch mal etwas sagen zu können. Und dann tat Sandra Dembeck das auch noch in einem besseren Englisch als die beiden Zalando-Co-Chefs Robert Gentz und David Schneider.
Sehr modern ist auch, dass diese Pressekonferenz zur Jahresbilanz des Unternehmens nur online stattfindet, wie auch die Fragerunde. Die Fragen müssen Journalisten vorher schicken. Der Moderator zensiert, sorry, kuratiert sie vorher. Zeitlos ist hingegen, auf eigentlich keine der Fragen wirklich zu antworten.
Dabei sind viele Fragen offen: Wie das denn genau ist mit dem geplanten Abbau Hunderter Stellen und den mutmaßlich umweltschädlichen Retouren? Beides Themen, mit denen Zalando kürzlich Schlagzeilen machte. Doch die Interessen-Asymmetrie ist groß: Die immer noch jungen Top-Manager des börsennotierten Online-Modekonzerns müssen auch auf den Aktienkurs schauen.
Bis zu 480 Bestellungen gehen bei Zalando pro Minute ein. Und die Hälfte der Pakete wird wieder zurückgeschickt. Beziehungsweise querbeet durch Europa hin und her versandt. Das hat eine Recherche der Wochenzeitung Die Zeit ergeben, von der selbst der Moderator sagt, sie habe hohe Wellen geschlagen. Wie kann das nachhaltig sein und zusammenpassen mit dem Versprechen des Unternehmens, bei ökologischen Fragen sehr gewissenhaft und transparent zu sein? Doch von David Schneider kommen dazu nur altbekannte PR-Phrasen: Es sei richtig, 97 Prozent der zurückgesendeten Waren werden von Zalando wieder im eigenen Shop verkauft und fast gar nichts vernichtet. Zu den Retouren von Partnern könne er leider nichts sagen.
Dabei macht das Partnerprogramm schon jetzt fast ein Drittel des Gesamtumsatzes aus und es soll weiter wachsen. Je größer es ist, desto mehr Retouren quer durch Europa, desto mehr unnötige Transporte und Emissionen entstehen, muss man schlussfolgern. "Ökologisch ist das eine Katastrophe", sagt Björn Asdecker, Leiter der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg, der zufolge jedes Jahr etwa 20 Millionen Retouren direkt in der Müllverbrennungsanlage landen. Doch Zalando hakt das einfach ab und verweist auf die Bemühungen, weniger Plastikverpackungen und mehr wiederverwertbare Textilien zu verwenden. Man habe doch auch das Schweizer Start-up Fision gekauft, das sich nur darum kümmert und wolle nun die Kreislaufwirtschaft in die Modeindustrie bringen.
Den Börsianern gefällt es
Fast im gleichen Atemzug schwärmt Gentz davon, wie schnell Zalando die knallroten Sneaker von Rihanna auf der Plattform gehabt habe, die die Sängerin beim Super Bowl trug. Noch schneller, noch reaktiver und damit noch effizienter, so wolle Zalando in Zukunft sein. Und diese Effizienz kommt gut an der Börse an. Dem Aktienkurs von Zalando sind Öko-Fragen egal. Er stieg nach einem kurzen Absacker am Morgen um zeitweise mehr als sechs Prozent. Die Aktie notierte da wieder bei über 40 Euro. Das ist weit weniger als die mehr als 100 Euro im Sommer 2021, aber wesentlich mehr als die 19 Euro im Ende September 2022.
Und das, obwohl der Nettogewinn geradezu einbrach. Zalando verdiente 2022 nur noch 16,8 Millionen Euro, nach einem Plus von 234 Millionen Euro im Jahr davor. Und auch der Umsatz schrumpfte leicht um 0,1 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro. Die allgemeine Kaufzurückhaltung, die der gesamten Modebranche mit Ausnahme von Luxus- und Billiganbietern zu schaffen macht, traf auch Zalando. Doch die Anleger interessierte etwas Anderes: Dass Zalando die Zeit schwachen Wachstums dazu nutzt, profitabler zu werden und die Margen zu verbessern.
Dazu gehört auch der Umbau der gesamten Organisation - und der Abbau Hunderter Arbeitsplätze. Wie viel genau, darüber sagten Robert, David und Sandra aber auch diesmal nichts. Nur soviel: Es handele sich nicht um ein Sparprogramm, klar, sondern darum, effizienter zu werden und wieder zweistellige Wachstumsraten zu erzielen. Beruhigen dürfte das die Verunsicherten unter den 17 000 Beschäftigten kaum. Dabei wurde die Finanzchefin neulich noch mit den Worten zitiert, Zalando wolle für "klare Lösungen und Pragmatismus" stehen. Diesmal war es zumindest aus Börsensicht pragmatisch, keine klaren Lösungen zu präsentieren.