Wohnraum:BGH: Kommunen können Bebauung erzwingen

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Der BGH stärkt mit dem Urteil ein Instrument gegen Grundsstücksspekulation. (Foto: Hans Blossey/Imago)

Städte können Grundstücke selbst nach Jahrzehnten zurückkaufen, wenn der Besitzer dort keinen Wohnraum schafft. Das Urteil sei nicht nur zum Nachteil für Käufer, so der Bundesgerichtshof.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wohnraum zu schaffen, das ist derzeit eine der dringlichsten Aufgaben der Städte. Deshalb sind Baulandspekulationen auf steigende Preise pures Gift - weil städtebaulich wertvolles Land unbebaut bleibt. Da kommt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum sogenannten "Wiederkaufsrecht" zur richtigen Zeit. Der BGH hat damit nun die Möglichkeiten der Städte und Gemeinden gestärkt, um damit auch langfristig die Bebauung ehemals kommunaler Grundstücke durchzusetzen.

Das Wiederkaufsrecht ist ein Instrument für Kommunen, die selbst strategisch Flächen ankaufen und diese dann mithilfe eines Bebauungsplans zu Wohngebieten machen. Die Stadt Ulm ist so ein Beispiel, sie kauft mitunter Jahrzehnte im Voraus Flächen auf, um sie dann gezielt einzusetzen. Damit die Käufer solche Flächen in der Hoffnung auf steigende Preise aber nicht einfach liegen lassen, sondern Wohngebäude errichten, kann in einem städtebaulichen Vertrag dieses Wiederkaufsrecht vereinbart werden. Der Käufer muss das Grundstück innerhalb einer bestimmten Frist bebauen - andernfalls ist die Kommune berechtigt, es zu den vereinbarten Konditionen zurückzukaufen.

Im BGH-Fall ging es um ein Grundstück in einer bayerischen Marktgemeinde, das der Käufer 1994 für 60 000 Mark erworben hatte, also umgerechnet für gut 30 000 Euro. Das entsprach auch dem Marktpreis. Innerhalb von acht Jahren sollte dort ein bezugsfertiges Wohngebäude stehen, andernfalls durfte es die Gemeinde zum Kaufpreis zurückkaufen. Die Jahre vergingen, das Haus wurde nicht gebaut, die Gemeinde verhielt sich zunächst ruhig - um dann 2014 doch noch den Trumpf zu ziehen: Sie forderte die Immobilie zurück. Zu spät, fand der Eigner. So lange mit der Geltendmachung eines Rechts zu warten, sei "unzulässige Rechtsausübung".

Der BGH sieht dies anders. Im Vertrag war lediglich die Baufrist vereinbart, nicht aber, innerhalb welches Zeitraums die Kommune ihr Wiederkaufsrecht geltend machen durfte. Damit galt die gesetzliche Ausübungsfrist von 30 Jahren. Der BGH sah keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass dies unangemessen sei. "Bauverpflichtungen dienen dem anerkennenswerten städtebaulichen Zweck, die (zeitnahe) Erreichung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele sicherzustellen", heißt es in der Entscheidung. Außerdem sollten sie Grundstücksspekulationen verhindern. Der Deal "Grundstücksverkauf nur gegen Wiederkaufsrecht" sei damit in Ordnung.

Dem Käufer wird im Gegenzug kein günstiger Preis eingeräumt

Gegen die 30-Jahres-Frist hat der BGH auch deshalb nichts einzuwenden, weil sie nicht nur zum Nachteil des Käufers sei. Denn so sei die Kommune flexibel, einem Käufer mehr Zeit zu geben, der sein Haus nicht innerhalb der vereinbarten acht Jahre fertigstellen könne. Etwa, weil das Geld knapp wird. Wäre mit dem Ende der Baufrist oder kurz danach auch das Recht zum Wiederkauf hinfällig, dann hätte die Kommune keine andere Wahl als den Rückkauf. Zumindest, wenn sie ihr Planungsinstrument nicht aus der Hand geben will. Im Übrigen sieht der BGH auch keine Notwendigkeit, dass dem Käufer im Gegenzug zum Wiederkaufsrecht ein günstiger Preis eingeräumt werden muss.

Damit grenzt der BGH diese Fälle deutlich vom sogenannten Einheimischenmodell ab. Dort sind Käufer sehr viel stärker gebunden: Sie erhalten bezahlbare Grundstücke, die sie im Gegenzug aber selbst nutzen müssen. Für solche - sehr engen - Bindungen setzt der BGH deutlich kürzere Fristen. Die bloße Pflicht eines Käufers, das Grundstück innerhalb einer gesetzten Frist zu bebauen, stelle hingegen "regelmäßig keine schwerwiegende Belastung dar", befand der BGH.

Nicht zum ersten Mal stärkt der BGH damit die bauplanungsrechtlichen Möglichkeiten der Kommunen. 2018 hielt er beispielsweise eine sogenannte "Mehrerlösklausel" für zulässig. Damit können Gemeinden nach dem Verkauf ihrer Grundstücke den Gewinn sichern, den ein Käufer durch den Weiterverkauf innerhalb einer bestimmten Frist erzielt. Eine solche Klausel diene dem schutzwürdigen städtebaulichen Ziel, dass Grundstücke tatsächlich bebaut werden und nicht kurzfristigen Spekulationszwecken dienen sollen.

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