Steuerskandal:Erster deutscher Banker wegen Cum-Ex zu Haftstrafe verurteilt

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Zentrale der M.M. Warburg in Hamburg: Der frühere Generalbevollmächtigte der Privatbank steht wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung vor Gericht. (Foto: Morris MacMatzen/Getty Images)

Das Landgericht Bonn hat einen ehemaligen Warburg-Banker zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor zehn Jahre gefordert, die Verteidigung einen Freispruch.

Von Klaus Ott, Jan Willmroth, Frankfurt, und Nils Wischmeyer, Bonn, Bonn

Dieser Prozess am Landgericht in Bonn war schon zu Beginn einer für die Geschichtsbücher. Mitten in der Corona-Pandemie begann die 12. Große Strafkammer mit der ersten Hauptverhandlung gegen einen damals 77-Jährigen deutschen Ex-Banker, der im Zusammenhang mit Aktiengeschäften zulasten der Staatskasse wegen Steuerhinterziehung angeklagt wurde. Virusbedingte Auflagen, spezielle, transparente Masken, das Verfahren gegen den Angeklagten begann separat, während drei weitere Mitangeklagte noch auf ihren Prozess warten. Seit diesem Dienstag haben die Verbliebenen eine Vorahnung: Ihnen droht noch Schlimmes.

Am Dienstagabend hat das Landgericht Bonn den Angeklagten wegen Cum-Ex-Geschäften zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monate verurteilt. Zudem muss er 100 000 Euro zurückzahlen. Der Angeklagte S. war früher der Generalbevollmächtigte der Privatbank M.M. Warburg und die rechte Hand des langjährigen Bankchefs und Warburg-Mitinhabers Christian Olearius. Die 12. Strafkammer des Landgerichts Bonn sieht es als erwiesen an, dass S. an Cum-Ex-Geschäften von Warburg beteiligt war und mehrfach falsche Angaben gegenüber den Finanzbehörden gemacht hat.

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In der Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende Richter Roland Zickler, der Angeklagte habe die Taten vorsätzlich begangen. Er machte deutlich, das Gericht sei davon überzeugt, dass S. das "Zentrum der Bank" war, durch das alle wesentlichen Informationen zu den rechtswidrigen Cum-Ex-Geschäften liefen. Für einige der Projekte sei er als "Pate" oder "Mentor" genannt worden.

Die Staatsanwaltschaft hatte S. in der Anklage besonders schwere Steuerhinterziehung in 13 Fällen vorgeworfen, ein Gesamtschaden von 325 Millionen Euro soll unter seiner Beteiligung entstanden sein. In ihrem Plädoyer am frühen Nachmittag hatte Staatsanwältin Anne Brorhilker eine Haftstrafe von zehn Jahren gefordert. Die Verteidigung um den früheren BGH-Richter Thomas Fischer, der vor wenigen Wochen das Anwaltsteam des Angeklagten verstärkt hatte, plädierte auf Freispruch. Strafmildernd wirkte sich unter anderem das Alter des Angeklagten aus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Verteidiger Fischer bestand darauf, dass sein Mandant zu seiner Zeit als Beschäftigter von Warburg gerade nicht vorsätzlich Steuern hinterzogen habe. Weil er nicht gewusst habe, dass bei den fraglichen Geschäften Steuern erstattet wurden, die zuvor niemand gezahlt hatte.

Raue Töne, erfolglose Anträge

Der Ursprung dieses Schlagabtauschs sind steuergetriebene Börsengeschäfte der Marke Cum-Ex, benannt nach dem Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch, berühmt geworden als größter Steuerskandal der bundesdeutschen Geschichte. Die Verluste für die Steuerzahler liegen im Milliardenbereich, das Schema war stets ähnlich: Banker, Anwälte und Börsenspezialisten zockten den Fiskus ab, indem sie sich eine nur einmal gezahlte Steuer doppelt oder sogar mehrmals anrechnen ließen. Schwere Steuerhinterziehung in 13 Fällen hatte die Staatsanwaltschaft dem Ex-Warburg-Mann in der Anklage vorgeworfen, mit einem Gesamtschaden von 325 Millionen Euro. Er ist einer von bundesweit mehr als 1000 Beschuldigten, die sich vor allem in den Jahren zwischen 2006 und 2013 an Cum-Ex-Geschäften beteiligt haben sollen.

Die Töne waren rau geworden im großen Sitzungssaal S 0.11 des Landgerichts Bonn. Es ging zuletzt kaum noch um die Vorwürfe gegen den Angeklagten und den eigentlichen Sachverhalt. Ex-Richter Fischer hatte versucht, die Richter für befangen erklären zu lassen, er warf Brorhilker rechtswidriges Verhalten und illegale Absprachen mit dem Gericht vor und forderte ihre Abberufung. Es waren Mittel der klassischen Konfliktverteidigung, mit denen Verteidiger darauf abzielen, Verfahren in die Länge zu ziehen, Anklagen zu zerpflücken und Richter anzuzählen.

Mit mehreren Dutzend Beweisanträgen hatte Fischer an den letzten Verhandlungstagen versucht, noch etwas für den früheren Warburg-Banker S. herauszuholen. Noch einmal neue Zeugen vorladen zu lassen, um die Kammer zu überzeugen: Sein Mandant habe zur damaligen Zeit nicht wissen können, dass die Erträge bei den großvolumigen Geschäften aus der Steuerkasse stammten. Und dass er sich womöglich strafbar machen würde.

Bundesgerichtshof verhandelt bald über Cum-Ex

Nicht davon ließ die Kammer zu, schmetterte einen Antrag nach dem anderen ab und kam dann am Dienstag weiteren Ideen der Verteidigung mit dem Schluss der Beweisaufnahme und dem Urteil zuvor.

Um ihren Verdacht zu erhärten, hatte sich die Staatsanwaltschaft Köln wie schon im ersten Cum-Ex-Prozess auf die Aussagen anderweitig Beschuldigter gestützt. Im März 2020 hatte die 12. Große Strafkammer zwei britische Ex-Investmentbanker zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt. Die beiden waren weitgehend geständig und wurden am Ende für ihre Kooperationsbereitschaft belohnt. Mitte Juni verhandelt der BGH in Revision über das Urteil, wobei die Strafzumessung für den Hauptangeklagten bereits rechtskräftig ist: Er war zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

Bei Warburg dagegen hat man auf Konfrontation gesetzt und eine vorsätzliche Steuerhinterziehung von Beginn an bestritten. Das tun nach wie vor auch die Warburg-Mitinhaber und Cum-Ex-Beschuldigten Christian Olearius und Max Warburg. Der Ausgang des Verfahrens gegen ihren früheren Vertrauten wird ihnen zu denken geben.

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