VW:Volkswagen will ehrlicher werden - wenigstens ein bisschen

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Volkswagen will sich vom Rest der Autobranche abheben, mit ehrlicheren Angaben bei Abgasen. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Die CO₂- und Verbrauchswerte einiger Volkswagen-Modelle werden künftig etwas höher ausfallen als bisher.
  • Der Konzern will damit dem Schummel-Image nach dem Diesel-Skandal etwas entgegensetzen.
  • Beliebt macht sich VW damit bei der Konkurrenz nicht - die vollständige Ehrlichkeit bedeutet der Schritt aber auch nicht.

Von Klaus Ott und Katja Riedel, Berlin/München

Wenn Volkswagen demnächst verkündet, was es alles Neues gibt bei den diversen Fahrzeug-Modellen des Autokonzerns, werden sich viele Kunden verwundert die Augen reiben. VW will Zahlen präsentieren, die nur schwer zu glauben sind. So verbraucht der Touareg mit Drei-Liter-TDI und 193 kW plötzlich auf dem Papier mehr Sprit. Und der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO₂) steigt offiziell gleich um sechs Gramm pro Kilometer. Auch beim Passat mit Zwei-Liter-Diesel und 110 kW fallen die Werte des Herstellers schlechter aus. Über diverse Modelle hinweg sind es im Schnitt zwei Gramm CO₂ mehr pro Kilometer. Wie das? Baut VW auf einmal schlechtere Autos? Nein, eben nicht.

Der Konzern nennt einfach nur halbwegs ehrliche Zahlen. Das ist eine Folge der Abgasaffäre bei Dieselfahrzeugen. Die Wolfsburger möchten das Image eines Konzerns, der betrügt und schummelt, schnell wieder loswerden. Auf Anfrage von SZ, NDR und WDR teilte VW mit, man habe sich entschieden, "realitätsnähere CO₂-Werte auszuweisen". Das kann teure Konsequenzen haben, für die ganze Autoindustrie. Zwei Gramm CO₂ mehr sind nicht die Kleinigkeit, nach der sich das anhört. Sondern ein großes Problem. Ab 2020/21 sind in der Europäischen Union (EU) bei Neuwagen im Schnitt nur noch 95 Gramm CO₂ pro Kilometer erlaubt, was je nach Hersteller variiert. Die meisten Konzerne liegen zum Teil noch weit darüber.

VW will nach der Dieselaffäre ein neues Desaster unbedingt vermeiden

Mit den Tricksereien, die bei den Kohlendioxid-Messungen bislang üblich sind und die zu geschönten Ergebnissen führen, könnte die künftige Vorgabe zu schaffen sein. Wehe aber, die offiziell gemessenen Emissionen fallen höher aus, weil weniger geschummelt wird. Dann kostet das einen Konzern vom nächsten Jahrzehnt an eine satte Strafe: 95 Euro für jeden Neuwagen und jedes Gramm zu viel. Bei VW wären das bei fast 3,4 Millionen verkauften Fahrzeugen in der EU und zwei Gramm CO₂ über dem Limit schon 600 Millionen Euro. Nicht einmalig, sondern pro Jahr.

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Andere Konzerne, die größere, schwerere und schnellere Autos bauen, könnten noch mehr Probleme bekommen. Herstellern wie Daimler drohen im für sie schlimmsten Falle Geldbußen in Milliardenhöhe. Insofern wundert es nicht, dass der Vorstoß von VW in der Branche wenig Wohlgefallen auslöst. "Damit machen wir uns keine Freunde in der Autoindustrie", heißt es in Wolfsburg. Doch in den Chefetagen von Volkswagen will man nach der Dieselaffäre ein neuerliches Desaster vermeiden. Deshalb nun die für die Autobranche ungewöhnliche Maßnahme, beim CO₂ weniger zu schummeln als bisher.

Volkswagen hat jahrelang und gesetzeswidrig Messergebnisse beim Diesel manipuliert. Millionen Fahrzeuge stießen weit mehr gesundheitsschädliche Stickoxide aus als erlaubt. Im Zuge der Aufklärung der Affäre stellte sich heraus, dass VW auch beim CO₂ kräftig trickst. Illegal ist das, anders als bei den Stickoxiden, vermutlich nicht. Und eine Überraschung ist es eigentlich auch nicht. Das machen so gut wie alle Hersteller, um ihre wahre Mitschuld am Klimawandel zu verschleiern, der vor allem durch Kohlendioxid-Emissionen bedingt ist. Als dem von Matthias Müller geleiteten VW-Vorstand bewusst wurde, dass hier ein weiterer Imageverlust absehbar wäre, hieß es intern: "Das ist nicht der geeignete Weg in die Zukunft."

Die Dieselmanipulationen waren Mitte September 2015 bekannt geworden. Wenige Wochen später erhielt der VW-Vorstand aus dem Entwicklungsbereich Hinweise, da gebe es Themen, die man sich dringend anschauen müsse. Volkswagen nenne offenbar zu geringe CO₂-Werte für seine Modelle. 800 000 Fahrzeuge könnten betroffen sein, meldete VW dem Kraftfahrt-Bundesamt, dem Bundesverkehrsministerium und den eigenen Aktionären. Der Vorstand beauftragte die Anwaltskanzlei Freshfields mit einer Untersuchung. Das Ergebnis, festgehalten in einem Prüfbericht vom 1. Dezember 2015: VW nutze "gesetzliche Toleranzen". Das geltende Recht weise Lücken auf, die dem Autokonzern gewisse Spielräume gewährten.

Von dieser Freshfields-Expertise von Anfang Dezember 2015 erfuhr die Öffentlichkeit allerdings nichts, als VW eine Woche später in einer Pressemitteilung verkündete: "Keine rechtswidrige Veränderung" der CO₂-Werte festgestellt. Aufklärung weitgehend abgeschlossen. Nur bei einigen Modellen gebe es leichte Abweichungen. Die ursprünglich genannte Zahl von rund 800 000 verdächtigen Fahrzeugen habe sich nicht bestätigt. Der Freshfields-Bericht besagt, es gebe zum Teil "erhebliche Diskrepanzen" zwischen den CO₂-Werten, die im Testlabor gemessen würden, und den "Emissionen im realen Fahrbetrieb". Das sei eine "zwingende Folge der politischen Festlegung", die Grenzwerte auf Basis eines künstlichen Ablaufes unter Laborbedingungen festzulegen. Was im Labor ermittelt wird, hat also mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Warum das so ist, lässt sich dem Freshfields-Papier in allen Einzelheiten entnehmen.

Nun will VW zumindest ein bisschen weniger Tricksen

Bei Ausstattung und Batterie, bei Bremsen und Reifen hat VW bislang viel getrickst, um den CO₂-Ausstoß im Labor niedrig zu halten. Außerdem wurden eigens geschulte Fahrer eingesetzt, die durch eine "geschickte", mitnichten alltägliche Fahrweise ebenfalls für geschönte Messergebnisse im Labor sorgten. Und am Ende gab es, weil rechtlich zulässig, noch einen pauschalen Abschlag von bis zu vier Prozent. Insbesondere bei Autos mit kritischen CO₂-Werten. Freshfields notierte, VW überschreite die gesetzlichen Spielräume nicht. Es sei aber nicht auszuschließen, dass Behörden oder Gerichte zu anderen Ergebnissen kämen, schränkte die Kanzlei ein.

Nun hört VW gewissermaßen zur Hälfte mit dem Tricksen auf. Der pauschale Abschlag wird, für einzelne Modelle, noch bis zu maximal zwei Prozent genutzt. Die Fahrer orientieren sich mehr am üblichen Straßenverkehr. Die Klimaanlage, die auch im ausgeschalteten Zustand Energie verbraucht, wird nicht mehr ausgebaut. Sie wird während des Tests aber auch nicht eingeschaltet. Man wolle das, was technisch und rechtlich möglich sei, "nicht bis zur letzten Schraube ausreizen", heißt es bei VW.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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