VW-Affäre:Als Deutschland seinen guten Ruf zerlegte

VW - Betriebsversammlung mit Merkel

Immer ging es darum, den Fall Volkswagen und die Marke Made in Germany strikt zu trennen. Das war die Kommunikationslinie, die auch Bundeskanzlerin Merkel bei Gesprächen mit Staatenvertretern oder Konzernchefs auf ihre Vorbereitungszettel geschrieben bekam.

(Foto: dpa)

Interne E-Mails zeigen, wie panisch die Bundesregierung versuchte, während der VW-Affäre die Marke "Made in Germany" zu retten.

Von Thomas Fromm, Klaus Ott, Nicolas Richter und Katja Riedel

Es war blankes Entsetzen, das in der Bundesregierung herrschte, nachdem am 18. September vergangenen Jahres über die deutsche Botschaft in Washington die Nachricht von Schummeleien beim deutschesten aller deutschen Konzerne Berlin erreichte. Entsetzen, aber auch Ratlosigkeit: Wie konnte es sein, dass ausgerechnet VW, ausgerechnet jenes Unternehmen, das weltweit für das Herz der deutschen Industrie stand, für die Marke "Made in Germany", nun dafür sorgte, genau diese Marke bedrohlich zu beschädigen und sie hinabzuziehen in Tiefen, die man selbst nur erahnte?

Süddeutsche Zeitung, WDR und NDR haben Tausende interne Dokumente aus der Bundesregierung ausgewertet, die das VW-Krisenmanagement des Staates offenlegen, in das Kanzlerin und Bundesminister genauso eingebunden waren wie Botschafter in Washington und aller Welt. Die E-Mails und Strategiepapiere zeigen, dass es im VW-Skandal nur in der öffentlichen Sprachregelung um größtmögliche Aufklärung ging, auf Regierungs- wie auf Konzernseite.

Nichts übertreiben

Intern arbeitete die Regierung daran, es mit der Aufklärung nicht zu übertreiben, entschlossen nach vorne zu blicken statt zurück und mit einem entschiedenen Eintreten für künftige realistischere Abgasmessungen auf EU-Ebene Entschlossenheit zu demonstrieren - die jedoch genau dort ihre Grenzen fand, wo Vertreter der deutschen Automobilindustrie sie selbst setzten.

Tatsächlich zeigen die Unterlagen die Sorge um einen Konzern, für den die Krise immer noch gefährlich werden kann. Es ging darum, den Fall Volkswagen und die Marke Made in Germany strikt zu trennen, das war die Kommunikationslinie, die auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Gesprächen mit anderen hochrangigen Staatenvertretern oder mit Konzernchefs auf ihre Vorbereitungszettel geschrieben bekam.

Bloß nicht in die USA

Die Unterlagen zeigen aber auch, wie ungeschickt VW agierte, mit einem Krisenmanagement, das die Beamten erstaunte, mitunter auch verärgerte. Als sich die Krise im November auf größere Dieselmotoren und Modell ausweitete, bekamen die Krisenmanager im Auswärtigen Amt weder Vorwarnung noch Insiderinformationen, sondern Pressestatements.

Und die VW-Spitze drückte sich lange davor, in den USA selbst vorstellig zu werden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) musste den neuen Konzernchef Matthias Müller noch zwei Monate nach Bekanntwerden des Abgasskandals bei einem Gespräch dazu auffordern, nicht nur Abteilungsleiter, sondern endlich ein Mitglied des Vorstandes in die USA zu schicken. In den USA, so ist einem vertraulichen Vermerk zu entnehmen, bot Müller dann ein Bild, das die Diplomaten als "hilflos" beschrieben.

"Es stellt sich die Frage, ob Müller auf die Anforderungen des USA-Besuchs umfassend vorbereitet ist", notierte einer, der bei einem Frühstück mit dem deutschen Botschafter Peter Wittig und Müller dabei war und schickte dies nach Berlin. Es blieb nicht der einzige Fauxpas in einem der größten Industrieskandale der Welt.

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