Volkswagen:Piëchs letzter Kampf

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  • Ferdinand Piëch will seine Anteile am VW-Konzern verkaufen. Damit setzt er die Eigentümerfamilien enorm unter Druck.
  • Sie haben zwar ein Vorkaufsrecht. Doch sie müssten Aktien im Wert von gut einer Milliarde Euro kaufen, um zu verhindern, dass ein externer Investor einsteigt.
  • Mit den Aktien werden wichtige Stimmrechte verkauft - und damit Einfluss im Konzern.

Von Thomas Fromm und Max Hägler

Ferdinand Piëch war immer dann am gefährlichsten, wenn er in kurzen Sätze sprach. Oder wenn man gar nichts mehr von ihm hörte. Manchmal sägte der langjährige VW-Patriarch auf diese Weise Manager mit einem Halbsatz ab. Und manchmal operierte er im Hintergrund und tauchte dann irgendwann mit Überraschungen wieder auf. Ein Spieler, sagen die einen. "Orakel" nennen ihn andere. Auf jeden Fall: unberechenbar.

Vor zwei Jahren musste der 79-Jährige seine Macht als VW-Chefkontrolleur abgeben. Was ihm blieb, waren 14,7 Prozent der Stammaktien an der Porsche SE, die wiederum 52 Prozent der Stimmrechte am VW-Konzern hat. Es geht um Anteile, die am Markt derzeit 1,15 Milliarden Euro wert sind. Und es geht um Anteile an einer Holding, die als das eigentliche Machtzentrum der Familien gilt. Jetzt will der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche, der Mann, der den Konzern geprägt hat wie kein anderer, der Autokrat, Patriarch und Ober-Kontrolleur, der Strippenzieher und eiskalte Taktierer, sein Paket verkaufen. Dies ist mehr als nur ein Aktiendeal. Piëch steigt aus, und das ist das Ende einer Ära. Das Ende der Ära Piëch. Und wen es schlecht läuft für seine Verwandten, dann halten die Familien Porsche und Piëch künftig nicht mehr die Mehrheit am größten Industriekonzern Europas.

Volkswagen
:Ferdinand Piëch wird zum Familienaußenseiter

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Von Thomas Fromm

Wie die Holding am Freitagnachmittag mitteilte, verhandeln die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch derzeit mit Ferdinand Piëch über die Übernahme seiner Aktien. "Ob es zu den vorgenannten Veränderungen der Aktionärsstruktur der Porsche Automobil Holding SE kommt, ist aktuell nicht abzusehen", teilte Porsche mit, nachdem der Spiegel von den Plänen berichtet hatte. Aus Kreisen des Unternehmens hieß es, dass derzeit noch völlig offen sei, ob und zu welchem Preis das Paket den Eigentümer wechseln würde. Die Familienstämme haben beim Verkauf ein Vorkaufsrecht - dies würde bedeuten, dass sie einen Aufschlag zahlen müssten.

Allerdings wurde am Freitag wegen der hohen Summe auch ein Paketabschlag ins Spiel gebracht. So oder so kostet das Paket sehr viel Geld. Zu viel nach Ansicht von Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Er sagt, er glaube "nicht, dass die Familie das stemmen kann. Sie wird nicht darum herum kommen, einen Investor zu suchen." Sollte dies so sein, dann wäre es im Interesse der Familien, diesen Investor selbst zu suchen und zu bestimmen, anstatt die Wahl dem Verkäufer Piëch zu überlassen. Was die Familien definitiv vermeiden wollen: Dass sie ihre Macht mit einem chinesischen Investor oder einem amerikanischen Hedge-Fonds teilen müssen.

In der vergangenen Woche stand VW-Großaktionär Wolfgang Porsche, 73, beim Genfer Autosalon; man hatte das Gefühl, dass er endlich reden wollte. Über diesen gigantisch großen Konzern, die reiche Erbenfamilie und seinen Cousin Ferdinand Piëch. Was, wenn der verkaufen will, wurde er gefragt. Sollte dann die Familie einspringen und die Anteile übernehmen? "Eigentlich müsste man es tun, ja", sagte Porsche. Zu schaffen sei das, allerdings sei auch nicht klar, ob Piëch verkaufen wolle.

Dabei schien es seit langem darauf hinauszulaufen. Seit Piëch im April 2015 nach einem erbitterten Machtkampf als VW-Aufsichtsratschef zurücktrat. Damals hatte sich Piëch mit einem einzigen scharfen Satz gegen seinen langjährigen Weggefährten, den VW-Vorstandschef Martin Winterkorn ("Ich bin auf Distanz zu Winterkorn") gestellt. Es folgte eine erbitterte Schlacht, am Ende war Piëch isoliert. Als dann einige Monate später der Dieselskandal hochkochte, belastete Piëch Winterkorn, seinen Cousin Porsche und auch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), schon früh von den Abgasmanipulationen gewusst zu haben. Die wiesen das empört zurück - aber wieder einmal hatte Piëch, der Unberechenbare, zugeschlagen. Es schien, als wolle er sein Lebenswerk niederreißen, jetzt wo er es nicht mehr pflegen durfte.

Jetzt geht es darum, wer auf Ferdinand Piëch folgen soll

Dieser Tage wurde dann noch kolportiert, dass Piëch in den kommenden Wochen das letzte ihm noch verbliebene Amt räumen solle: den Aufsichtsratsposten bei der Porsche SE Holding. Piëch verlässt sein Lebenswerk. Was bleibt, ist ein alter Auto-Konzern, der seine Dieselaffäre noch immer nicht abgehakt hat, der Milliardenstrafen in den USA zahlen muss, der auf der Suche ist nach einer neuen Identität. Die Frage ist: Wer wird die weit verzweigte Familie künftig führen? Wer wird Piëchs Erbe antreten? Im Hintergrund laufen sich die Nachfolger warm. Vor allem Wolfgang Porsche sorgt dafür, dass sich geeignete Nachfolger aus beiden Familien in Position bringen, Erfahrung sammeln in den Beiräten und Aufsichtsräten dieses großen Reichs.

Es ist die vierte Generation der Dynastie, die Ferdinand Porsche und seine Gattin Aloisia begründeten vor über 100 Jahren. Und da fallen Namen wie die beiden Nichten von Piëch: Julia Kuhn-Piëch und Louise Kiesling, Immobilienmanagerin die eine, Autodesignerin die andere. Oder: Ferdinand Oliver Porsche, der Vorstand der Familie Porsche AG Beteiligungsgesellschaft. Derzeit allerdings, so sagte Wolfgang Porsche erst jüngst beim Genfer Autosalon, seien noch die Erfahrenen gefragt. Er, der 73-Jährige, Cousin von Ferdinand. Oder Hans Michel Piëch, der Bruder von Ferdinand. Sie müssen jetzt dafür sorgen, dass der weitverzweigte Familienclan die Mehrheit behält.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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