Abgasaffäre bei Volkswagen:Piëchs Rachefeldzug könnte VW retten

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Ferdinand Piëch bei der VW-Hauptversammlung 2014 (Foto: dpa)

Seine rüden Attacken gegen die Wolfsburger Koalition aus Managern, Gewerkschaftern und Politikern sind eine Chance zum Neuanfang - und womöglich die letzte.

Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

Ein Mann läuft Amok, schlägt um sich, beschuldigt andere einer schweren Straftat, beruft sich auf obskure israelische Geheimdienstquellen und behauptet noch, einer guten Sache zu dienen. Ferdinand Piëch, langjähriger VW-Vorstands- und Aufsichtsratschef, attackiert in beispielloser Manier den früheren VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn und Aufsichtsräte des Autokonzerns. Sie sollen früher als bisher zugegeben von den kriminellen Diesel-Machenschaften gewusst haben, die VW in eine tiefe Krise stürzten. Er selbst habe die Verantwortlichen darüber informiert, so Piëch. In Wolfsburg ist von Entsetzen die Rede. Das Wort vom Rachefeldzug eines alten Mannes geht um, der vor zwei Jahren den Aufsichtsrat nach einem Machtkampf verlassen musste.

Ja, die Attacke des 79-Jährigen auf das Wolfsburger Machtkartell, zu dem neben den Arbeitnehmervertretern auch das an VW beteiligte Land Niedersachsen und sein Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gehören, zeigt Züge von Rache. Das entspricht dem Charakter des Österreichers. Doch sie bietet auch eine Chance.

Piëchs Attacke ist bedrückend - aber die Reaktionen sind es auch

Der Sprengsatz, den Piëch gezündet hat, ist möglicherweise ein Mittel, das ungesunde Machtgeflecht von IG Metall und Politik auseinanderzureißen, das VW zu einem politischen Konzern macht, dessen wirtschaftliche Führung fast unmöglich ist. Für IG Metall und Niedersachsen ist wichtig, dass es bei VW möglichst viele Arbeitsplätze gibt. Der Rest interessiert beide wenig.

Natürlich ist Piëchs Attacke aus dem Hinterhalt bedrückend. Aber die Reaktionen der Angegriffenen sind es auch. Sie schließen eilig die Reihen. Ministerpräsident Weil bezichtigt Piëch sogar der Lüge ("Fake News"). Wolfsburg stellt sich gegen den alten Strategen und behauptet, Piëch werde mit dem Angriff den ganzen Konzern in den Ruin treiben.

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Das ist der erste Fehler der großen Wolfsburger Koalition. Es sind die von Piëch Attackierten, die für die Diesel-Katastrophe verantwortlich sind. Das Führungspersonal aus den Ämtern zu hebeln wäre nicht das Ende von VW, sondern der nötige Neuanfang eines Konzerns, der sich seit anderthalb Jahren als nicht reformwillig erweist und alle Verantwortung abstritt, obwohl er seine Schuld längst öffentlich eingestanden hat.

Piëch hat meist früher erkannt, wo VW Probleme hat

Der zweite Wolfsburger Fehler ist, Piëch zu unterschätzen. Der Mann ist zwar nicht mehr bei bester Gesundheit, er hat auch eine Wesensart, die nicht jeder mögen muss. Unter Piëch haben viele Manager gelitten, die später mit viel Geld zum Schweigen gebracht wurden. Aber eines ist ihm nicht abzusprechen: Bei allen bitteren Kämpfen, die dieser knorrige Mann in Wolfsburg führte, hatte er immer das Wohlergehen von Volkswagen im Auge.

Piëch hat meist früher als andere erkannt, wo der unübersichtliche Konzern seine Probleme hat. Er hat sich auf jede Menge schmutzige Deals mit Gewerkschaften und Politik eingelassen, um wenigstens etwas bei VW zu bewegen und den Konzern auf Kurs zu halten. Kaum ein Mensch kennt VW und seine politischen Fallstricke so gut wie dieser besessene Ingenieur mit dem brennenden Ehrgeiz.

Es ist sogar wahrscheinlich, dass Piëch von seinem eigenen Sprengsatz mit zerrissen wird, weil auch er von der dubiosen Diesel-Software früher gewusst haben dürfte, als bisher bekannt war. Aber seine Attacke auf das Machtkartell von Wolfsburg ist ein Dienst, den er dem Konzern noch erweisen kann. Wer soll es schaffen, wenn nicht Piëch? Seine Methode des Anschwärzens anderer mag schmutzig sein, die VW-Unternehmenskultur ist es aber auch.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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