Dieser Aufstieg ist rasant. Der amerikanische Streamingdienst Netflix, der an der Börse mittlerweile mehr wert ist als der Disney-Konzern, hat weltweit bereits rund 125 Millionen Abonnenten, und die Zahl steigt beständig. Mitgründer und Chef Reed Hastings hat inzwischen besonders Europa als neues Ziel ausgemacht. Allein hier sollen rund eine Milliarde Euro in neue Serien und Filme investiert werden, um noch attraktiver für die Zuschauer zu werden. Schätzungen zufolge hat Netflix in Deutschland bereits vier Millionen Abonnenten, zum Jahresende könnten es fünf Millionen sein.
Doch die großen deutschen Fernsehanbieter wollen den Amerikanern - neben Netflix sind auch Amazon Prime oder Youtube sehr erfolgreich - das Feld nicht kampflos überlassen. Am Montag kündigte der Münchner Fernsehkonzern Pro Sieben Sat 1 eine neue lokale und sender- sowie firmenübergreifende Streaming-Plattform an. Mächtiger Partner ist dabei das amerikanische Medienunternehmen Discovery.
Neben einem werbefinanzierten Angebot, unter anderem die bisherigen Konzernsender (etwa Sat 1, Pro Sieben, Kabel Eins, Sixx, Pro Sieben Maxx, Sat 1 Gold, Kabel Eins Doku), werde es auch ein werbefreies, kostenpflichtiges Paket sowie Premiumpakete mit Zugang zu exklusiven Sportübertragungen und Filmen geben, heißt es. Die neue Plattform soll bereits in der ersten Jahreshälfte 2019 starten. Max Conze, erst seit Juni Vorstandsvorsitzender von Pro Sieben Sat 1, will in den ersten zwei Jahren zehn Millionen Nutzer gewinnen. Das ist ein durchaus anspruchsvolles Ziel. Und es ist der Traum von einem deutschen Netflix.
Dafür ist man auch noch auf der Suche nach weiteren Partner. "Ich lade hiermit RTL, ARD und ZDF ein, mit uns gemeinsam einen deutschen Champion zu schaffen", erklärte Conze. Die ARD wollte sich zu den Plänen zunächst nicht äußern. Bislang unterhalten sowohl ARD als auch ZDF eigene kostenfreie Mediatheken.
"Grundsätzlich sind wir offen für Kooperationen und Allianzen, wenn sie zu unserem Geschäftsmodell passen und wenn sie rechtlich darstellbar sind", sagte ein RTL-Sprecher. Man verfolge derzeit eine eigene Strategie, aber Gespräche seien nicht ausgeschlossen. RTL hatte gerade erst angekündigt, seine eigenen Video-on-demand-Angebote auszubauen. Der bestehende Dienst TV-Now soll erweitert werden. Die kleineren TV-Anbieter Axel Springer mit den Kanälen Welt und N24 Doku sowie Constantin Medien mit Sport 1 sind den Angaben zufolge bereits dabei.
Das neue Projekt sei ein "spannender nächster Schritt auf unserem strategischen Weg", teilte Discovery-Chef David Zaslav mit. Der US-Konzern hatte in den vergangenen Jahren wichtige und teure Sportrechte, auch für den deutschen Markt, erworben. Dazu zählen die Olympia-Rechte für die Spiele von 2018 bis 2024. Der Sender Eurosport, der auch zu Discovery gehört, hat zudem Live-Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga gekauft, konkret für Spiele am Freitagabend, für die Relegation und den Super-Cup.
Die Kartellwächter hatten zuletzt ähnliche Konzepte untersagt
An der neuen Plattform sollen zunächst Pro Sieben Sat 1 und Discovery mit jeweils 50 Prozent beteiligt sein. Neue Partner können entweder ihre Inhalte einbringen und dafür an den Erlösen beteiligt werden oder sie steigen auch bei dem Gemeinschaftsunternehmen ein, erläuterte eine Sprecherin von Pro Sieben Sat 1. Eingebracht wird unter anderem die Online-Videoplattform Maxdome mit rund 50 000 Filmen im Angebot, die derzeit eine Million Nutzer hat, sowie die umfangreichen Mediatheken. Auch Eurosport und die anderen Discovery-Sender Dmax und TCL sind dabei.
Wann genau der Start sein wird, ist noch offen. Auch über die möglichen Preise ist nichts bekannt. Maxdome kostet derzeit acht Euro im Monat, der Eurosport-Player sieben Euro, Netflix von acht Euro an aufwärts. Die bisher frei empfangbaren Sender, die sich über Werbung finanzieren, sollen auch künftig kostenlos bleiben.
Die Transaktion bedarf der Zustimmung der zuständigen Kartellbehörden, teilte Pro Sieben Sat 1 mit. Das Bundeskartellamt hatte vor einigen Jahren ähnliche Konzepte untersagt. Damals wollten RTL und Pro Sieben Sat 1 unter dem Namen Amazonas sowie ARD und ZDF unter "Germany's Gold" im Internet TV-Inhalte zum Abruf anbieten. Teilweise sollte dabei auch die Werbung gemeinsam vermarktet werden. In beiden Fällen sah das Kartellamt damals unzulässige Einschränkungen des Wettbewerbs. "Wir glauben, dass frühere Hürden für ähnliche Projekte nicht mehr bestehen, weil sich die Marktlage geändert hat", erklärte Conze.