Versicherungskonzern:Allianz-Chef will Anleger beruhigen

Lesezeit: 3 min

Allianz-Chef Oliver Bäte (Foto: MICHAEL DALDER/REUTERS)

Eine "schreckliche Woche" hatte die Allianz, sagt Konzernchef Oliver Bäte. Wegen Milliardenforderungen von Geschäftspartnern in den USA brach die Aktie kräftig ein.

Von Herbert Fromme

Eigentlich wollte Allianz-Konzernchef Oliver Bäte gar nicht dabei sein bei der Telefonkonferenz am Freitag. Denn die Vorstellung der Quartalszahlen des Versicherers überlässt er in der Regel Finanzchef Giulio Terzariol. Doch nach dieser "schrecklichen Woche" wollte Bäte selbst erklären, was eigentlich Schlimmes passiert war, das den Aktienkurs der Allianz zwischen Montag und Donnerstag um mehr als acht Prozent einbrechen ließ.

Am vorigen Sonntag musste die Allianz mitteilen, dass ein seit mehr als einem Jahr schwelender Streit mit einer Reihe von Pensionsfonds und anderen Anlegern in den USA eine neue Dimension angenommen hatte. Denn das US-Justizministerium hat Ermittlungen gegen die Tochtergesellschaft Allianz Global Investors (AGI) aufgenommen.

Die oberste Strafverfolgungsbehörde des Landes will wissen, ob Anfang 2020 bei AGI alles mit rechten Dingen zugegangen ist, als eine Reihe ihrer Hochrisikofonds mit dem schönen Namen "Structured Alpha" wegen des Börsencrashs infolge der Corona-Pandemie hohe Verlust aufwiesen. Anleger, darunter Pensionskassen von Lehrern und U-Bahn-Mitarbeitern, werfen der AGI Fehlverhalten vor und verlangen Schadenersatz. Es soll um sechs Milliarden Dollar gehen.

"Wir werden die Interessen unserer Aktionäre mit Disziplin und Nachdruck verteidigen", sagte Bäte zu den Prozessen um Schadenersatz. Aber er machte auch klar, dass die Allianz wohl ordentlich zahlen muss, nicht nur an Anleger. Denn es droht auch eine Geldstrafe.

"Wir kooperieren vollständig mit den Behörden", betonte Bäte. Neben dem Justizministerium untersucht auch die Börsenaufsicht SEC die Vorgänge. Mit ihr habe man schon mehr als eine Million Dokumente und Emails untersucht, erklärte er. Und bei der AGI seien das Angebot gestrafft und die Führung verjüngt worden. Bäte kämpft um Vertrauen, vor allem das Vertrauen von Anlegern. Dass ein solcher Vorgang die Allianz-Aktie so kräftig in den Keller bringen kann, beunruhigt die Aktionäre und die Analysten der Bankhäuser.

Die Zahlen des zweiten Quartals sind vertrauensbildend. Die Allianz hat 29 Prozent mehr als im von Covid-19 stark gebeutelten Vorjahresquartal verdient, der operative Gewinn belief sich auf 3,3 Milliarden Euro. Das ist eine gute Grundlage für das Erreichen des Jahresziels, das Bäte und Terzariol bei 11 Milliarden Euro bis 13 Milliarden Euro sehen. Allerdings wäre das das operative Ergebnis. Ob auch unter dem Strich beim Gewinn nach Steuern und allen Sonderfaktoren eine Steigerung drin ist, muss sich noch zeigen. Im vollen Jahr 2020 lag der Nettogewinn bei sieben Milliarden Euro, im zweiten Quartal 2021 bei 2,2 Milliarden Euro. Aber wenn die US-Affäre Milliarden kostet, geht das zu Lasten des Gewinns, dann kann ein erheblicher Rückgang drohen.

Bäte und Terzariol beruhigen: Die Dividende werde mindestens auf Vorjahresniveau gezahlt. Und am Donnerstag schon hatte die Allianz bekanntgegeben, dass sie ihr wegen der Pandemie unterbrochenes Aktienrückkaufsprogramm wieder aufnimmt und bis Ende des Jahres eigene Papiere für 750 Millionen Euro kauft. Damit wird der Aktienkurs gestützt.

Doch die Allianz-Führung weiß: Solange die Sache nicht geregelt ist, wird der Kurs immer wieder kurzfristig unter Druck geraten können. Dafür reichen dann Gerüchte über die Höhe einer möglichen Geldstrafe. Deshalb passt die Affäre der Allianz so ganz und gar nicht ins Konzept. Denn eigentlich legt der Konzern großen Wert darauf, dass er trotz aller Probleme wie ein Fels in der Brandung immer solide Gewinne erzielt. Die Versicherungsbranche als Ganze wird von der Pandemie, niedrigen Zinsen und hohen Naturkatastrophen gebeutelt: Die Allianz spürt das alles auch, weist aber trotzdem hohe Gewinne, als wäre nichts passiert.

Bäte nutzt die Gelegenheit, auch über die Flutschäden zu sprechen. "Ich komme aus Köln, 20 Minuten von Euskirchen und den Schwerpunkten der Überschwemmung entfernt", berichtete er. Die Todesfälle und die Schäden seien schrecklich für die Menschen vor Ort und für die gesamte Gesellschaft. "Bei mir war nur der Keller geflutet, bei anderen sind Haus und Hof weg", sagte er.

Bäte lobte Allianz-Vertreter und Mitarbeitende für ihren Einsatz als Helfer und bei der Auszahlung der Versicherungsansprüche. Zum jetzigen Zeitpunkt geht die Allianz von 900 Millionen Euro aus, die sie an Geschädigte in Deutschland und anderen Ländern auszahlt, davon erstatten die Rückversicherer rund 500 Millionen Euro. "Wir handeln schnell und unbürokratisch", versprach er. Mehr als 230 Schadenexperten seien in den betroffenen Gebieten unterwegs. "Wir leisten Vorauszahlungen bis zu 10 000 Euro pro Kunde."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: