USA und China:Alle Zeichen stehen auf Handelskrieg

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(Foto: picture alliance/dpa)
  • Der von US-Präsident Trump angefachte Handelskonflikt bedroht zunehmend den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas.
  • Eine chinesische Delegation ist nun nach Washington gereist, um weitere Eskalationen zu verhindern.
  • Die USA wollen vor allem in einer Sache nicht nachgeben: China soll seine Industriestrategie "Made in China 2025" aufgeben.

Von Christoph Giesen, Peking

Sie sind zurück in Peking, zurück aus Beidaihe. Jedes Jahr Anfang August fahren Chinas Spitzenkader gemeinsam in die Ferien, immer in den Badeort Beidaihe am Golf von Bohai, zwei Schnellzugstunden von Peking entfernt. Schon Mao Zedong reiste an den Strand, gern zwei volle Monate, mit dabei seine Entourage, Minister, Staatssekretäre und ein ganzes Bataillon an Beamten. 188 Gasthäuser und Sanatorien standen Mao und seinen Leuten zur Verfügung. Wer welchen Posten bekommt, aber auch wessen Karriere ein jähes Ende nimmt, all das wird in Beidaihe ausgekungelt, am "Strand der langen Messer".

In diesem Jahr allerdings ging es in den Klausuren, vertraulichen Runden und Spaziergängen nicht etwa um Stellen oder Beförderungen, sondern vor allem um eine einzige Person, und diese stammt nicht einmal aus China: US-Präsident Donald Trump. Der schwelende Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten bereitet den Genossen allergrößte Sorgen.

Am Donnerstag treten neue Zölle in Kraft, Waren im Wert von weiteren 16 Milliarden Dollar können dann nur noch mit Aufschlägen eingeführt werden. Betroffen sind 279 Produkte, darunter etwa Metalle, Schmierstoffe, Chemikalien und Elektronik aus der Volksrepublik. China wiederum erhob zuletzt Sonderabgaben auf amerikanische Autos, aber auch auf landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Sojabohnen, Schweinefleisch, Rindfleisch und Molkereiprodukte. Insgesamt werden vom 23. August an hüben wie drüben Güter für etwa 50 Milliarden Dollar mit Zöllen belegt sein.

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Noch sind die amerikanischen Abgaben für China halbwegs zu verschmerzen, betroffen sind etwa zehn Prozent der jährlichen Ausfuhren in die Vereinigten Staaten. Dabei soll es jedoch nicht bleiben. Anfang September wollen die USA über weitere Strafzölle auf chinesische Waren im Wert von rund 200 Milliarden Dollar entscheiden. Schon im Oktober könnte es losgehen. Das wäre für China ein ziemlicher Schaden. Hinter vorgehaltener Hand erzählen die ersten Manager von Technologiefirmen, dass sie dann eine Verlagerung der Produktion erwägen. Statt China ist zum Beispiel von Mexiko oder der Türkei die Rede in den Planspielen.

Die Börsen in Shanghai und Shenzhen preisen eine Eskalation längst ein. Genauso wie der Wechselkurs zum Dollar. Es geht bergab. Um das noch irgendwie abzubiegen, landet am Mittwoch eine chinesische Delegation in Washington. Vize-Handelsminister Wang Shouwen soll Gespräche mit seinem amerikanischen Kollegen David Malpass führen. Es wäre das erste offizielle Treffen beider Seiten, seit Verhandlungen zwischen Chinas Vize-Premier Liu He und US-Handelsminister Wilbur Ross Anfang Juni in Peking gescheitert sind. Dass Wang und Malpass allerdings eine Lösung präsentieren, davon geht in Peking kaum noch jemand aus. Die Zeichen stehen auf Handelskrieg.

Bereits während des Beidaihe-Treffens veröffentlichten staatliche Medien eine Reihe von scharfen Kommentaren zum chinesisch-amerikanischen Verhältnis. In der Volkszeitung, dem Sprachrohr der Kommunistischen Partei, hieß es etwa in einem Text: "Eine Überprüfung der Handelsverhandlungen mit den Vereinigten Staaten zeigt, dass die amerikanische Regierung widersprüchlich, ambivalent und launisch war."

Chinesische Medien dürfen den Begriff "Made in China 2025" nicht mehr nennen

Inzwischen sind die Meinungen noch deutlicher: "Trump hält uns ein Messer an den Hals", sagt etwa Lu Xiang, Amerika-Spezialist an der staatlichen chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. "Die Trump-Regierung hat deutlich gemacht, dass die Eindämmung der chinesischen Entwicklung ein tief greifender Grund für die Zollaktionen ist", sekundiert He Weiwen, ein ehemaliger Beamter des chinesischen Handelsministeriums und nun leitender Wissenschaftler am Zentrum für China und Globalisierung, einer Forschungsgruppe, bei der vor allem ehemalige Bürokraten unterkommen.

Der Grund für die verschärfte Tonlage: Trotz etlicher Bemühungen und Angebote aus Peking, das bilaterale Handelsdefizit zu senken, lassen die Amerikaner sich bei ihrer zweiten Forderung nicht erweichen, die da lautet: Die chinesische Regierung soll das Industrieprogramm "Made in China 2025" aufgeben. Im Jahr 2015 verkündet, ist dies die ehrgeizigste industriepolitische Agenda der Welt. Mit Hunderten Milliarden Dollar fördert der Staat in den kommenden Jahren die heimische Wirtschaft, um chinesische Weltmarktführer in etlichen Branchen zu schaffen, in der Medizintechnik genauso wie in der Halbleiterindustrie oder im Autobau - notfalls durch den Kauf von Unternehmen im Ausland. In Washington, aber auch in Berlin oder in Paris stößt das auf Widerstand. Das einzige Zugeständnis: In chinesischen Medien darf der Terminus "Made in China 2025" nicht mehr genannt werden.

Ansonsten aber laufen die Vorbereitungen auf vollen Touren. Am Wochenende ordnete die chinesische Bankenaufsicht deshalb an, die Kreditvergabe an Infrastrukturprojekte und Exporteure zu verstärken. Chinas staatliche Geldhäuser sollen das Wirtschaftswachstum aufrechterhalten. Seit Beidaihe ist die Lesart: Donald Trump will Chinas wirtschaftlichen Aufstieg um jeden Preis beenden. Und das wiederum will China vermeiden. Auch um jeden Preis.

© SZ vom 21.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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