Als Donald Trump im Herbst 2017 darüber sinnierte, wen er an die Spitze der US-Notenbank Fed setzen sollte, da ging ihm nach eigenem Bekunden vor allem eine Frage durch den Kopf: Soll die angesehene Amtsinhaberin Janet Yellen weitermachen, obwohl sie einst von Präsident Barack Obama nominiert worden war, oder müsste ein harter Kerl wie er, Trump, der Notenbank nicht eigentlich eine "eigene Handschrift" verpassen? Wie so oft siegte am Ende das Bauchgefühl des ehemaligen Reality-TV-Stars über den Verstand: Yellen verlor den Job.
Diesen Fehler darf Joe Biden nicht wiederholen, wenn es nun an ihm ist, die Notenbankspitze neu zusammenzustellen. Oder anders gesagt: Fed-Chef Jerome Powell sollte im Amt bleiben, auch wenn er von Trump nominiert wurde und auf dem Papier Republikaner ist. Damit würde Biden nicht nur an eine bewährte Tradition anknüpfen, die so unterschiedliche Präsidenten wie Ronald Reagan und Obama mitbegründet haben. Er könnte auch signalisieren, dass er die politische Unabhängigkeit der Fed vollumfänglich achtet und bei der Besetzung von Spitzenposten wieder zuerst die Qualifikation der Bewerberin oder des Bewerbers zählt.
Die Entscheidung ist auch deshalb leicht, weil Powell nach vier Jahren im Amt eine sehr gute Bilanz vorweisen kann. Als sich im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie ihren Weg über den Globus bahnte, öffnete er ohne zu zögern die Geldschleusen und bewahrte sein Land wie die Weltwirtschaft so vor einem noch tieferen Absturz. Er hielt lange an der lockeren Geldpolitik fest, um auch Problemgruppen die Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, scheute aber auch keine Kurskorrektur, als klar wurde, dass die Inflationsgefahr größer ist als gedacht. Zudem ließ er die Fed-Strategie überarbeiten, damit sich die Notenbank noch stärker auf ihr Ziel der Vollbeschäftigung fokussiert. Dass eine so weitgehende Reform geräuschlos über die Bühne ging, lag auch daran, dass ein Republikaner sie vorantrieb - und die Parteifreunde im Kongress deshalb weniger zetern konnten.
Die Lösung der Chef-Frage liegt gewissermaßen auf der Hand
Vor allem aber: Wohl noch nie in ihrer langen Geschichte musste die Fed so viele Attacken auf ihre Unabhängigkeit abwehren wie 2018 und 2019. Insbesondere Powell selbst stand im Sturm, fiel aber auch dann nicht um, als Trumps Ausfälle und Beleidigungen immer unflätiger und persönlicher wurden. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil viele andere Spitzenbeamte in dieser Zeit ihr Rückgrat der politischen Karriere opferten.
Das alles heißt keineswegs, dass Lael Brainard, Powells Mitbewerberin um den Fed-Vorsitz, nicht ebenfalls geeignet wäre: Sie gehört wie ihr Chef dem Fed-Vorstand bereits seit vielen Jahren an, ist in geldpolitischen Fragen ähnlich gestrickt wie er, zugleich aber beim Thema Bankenaufsicht rigider und deshalb die Favoritin des linken Parteiflügels der Demokraten.
Bidens Vorteil ist, dass gleich drei der sieben Fed-Vorstandsposten vakant sind und er als Präsident darüber hinaus das Recht hat zu bestimmen, wer Chef und Vizechef werden soll. Er kann also ein ganzes Personaltableau zusammenstellen, das den unterschiedlichsten Wünschen Rechnung trägt - zum Beispiel der Forderung, mehr Frauen und Vertreter gesellschaftlicher Minderheiten in den Fed-Vorstand zu berufen. Die Lösung der Chef-Frage liegt dabei gewissermaßen auf der Hand: Powell bleibt Notenbankgouverneur, Brainard wird zur Stellvertreterin befördert und erhält die Zuständigkeit für die Bankenaufsicht. Sie hätte damit deutlich mehr Möglichkeiten als bislang, die Geldhäuser zu regulieren und riskante Wettgeschäfte zu unterbinden.
Alan Blinder, selbst Demokrat und unter Präsident Bill Clinton Vizechef der Notenbank, hat es jüngst auf den Punkt gebracht: Bidens unseliger Vorgänger habe zwar Yellen gefeuert, sagte er. Selbst ein Irrwisch wie Trump sei am Ende aber davor zurückgeschreckt, die Fed tatsächlich ihrer Unabhängigkeit zu berauben und sie weiter zu politisieren. Biden, so Blinder, sollte es genauso handhaben.