Preise:US-Inflation steigt auf höchsten Wert seit 1982

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Geringes Angebot, große Nachfrage: Die US-Verbraucherpreise steigen so stark wie seit 40 Jahren nicht mehr. (Foto: Phelan M. Ebenhack/AP)

Die US-Inflationsrate klettert im Dezember erstmals seit 40 Jahren auf sieben Prozent. Notenbankchef Powell deutet an, dass die Leitzinsen sehr viel rascher steigen könnten als bisher geplant.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Als Jerome Powell am Dienstag im Konferenzsaal 106 des Washingtoner Dirksen-Gebäudes Platz nahm, um sich den Mitgliedern des Senats für eine zweite Amtszeit als Chef der US-Notenbank Fed zu empfehlen, da hatte er eine Botschaft im Gepäck, die sich eigentlich kaum für eine Bewerbungsrede eignet. Sie lautete sinngemäß: Die Party ist vorbei! Nach mehr als zehn Jahren extrem niedriger Leitzinsen und ohne nennenswerte Preissteigerungen müssen sich Bürger, Firmen und Politik in den USA nämlich darauf einstellen, dass die Fed ihre sogenannte Tagesgeldzielspanne in den kommenden Monaten gleich mehrfach anheben wird. Die meisten Experten erwarten bis zu drei Schritte von je einem Viertelpunkt auf dann 0,75 bis ein Prozent. Das Finanzhaus Goldman Sachs geht mittlerweile sogar von vier Erhöhungen aus, beginnend bereits im März. So oder so: Die Zeiten, in denen die Geschäftsbanken Kredite an Bauherren, Autokäuferinnen und investitionswillige Betriebe fast zum Nulltarif ausreichten, gehen unwiderruflich zu Ende.

Wie diffizil die Lage für die Fed ist, zeigen die jüngsten Konjunkturdaten - allen voran die Zahlen zur Preisentwicklung, die am Mittwoch veröffentlicht wurden: Mit exakt 7,0 Prozent wies die Inflationsrate im Dezember erstmals seit 40 Jahren eine Sieben vor dem Komma auf, das ist ein Wert, der selbst notorische Abwiegler zunehmend nervös macht. Auch die Erwerbslosenquote von gerade einmal noch 3,9 Prozent deutet darauf hin, dass der Lohn- und damit auch der Preisdruck kurzfristig eher weiter steigen als sinken wird. Zugleich stellte der jüngste Arbeitsmarktbericht aber einmal mehr unter Beweis, dass die Zahl der Beschäftigten noch immer um mehr als drei Millionen Menschen niedriger liegt als vor Beginn der Pandemie. Grund ist offenbar, dass sich viele Bürger aus Angst vor dem Virus oder aus anderen Motiven vorübergehend oder gar dauerhaft aus dem Arbeitsleben verabschiedet haben. Zudem stieg die Arbeitslosenrate unter Afroamerikanern im Dezember von zuletzt 6,5 auf 7,1 Prozent an.

Powell und seine Mitstreiter stehen damit vor dem Problem, dass sie die Zinsen wegen der wachsenden Inflationsgefahr anheben müssen, ohne zuvor ihr erklärtes Ziel der Vollbeschäftigung wirklich erreicht zu haben. Allerdings bemühte sich der Notenbankchef bei seiner Anhörung im Senat darum, deutlich zu machen, dass stabile Preise und eine möglichst geringe Arbeitslosigkeit keine Gegensätze seien, sondern sich sogar bedingten. "Hohe Inflation ist eine ernste Bedrohung für die Erreichung maximaler Beschäftigung", sagte er einigermaßen gestelzt. Zudem seien es insbesondere die ärmeren Bevölkerungsschichten, die unter der Teuerung besonders zu leiden hätten. Die Fed werde das Tempo ihrer Zinserhöhungen daher notfalls beschleunigen, um zu verhindern, dass sich der jüngste Preistrend verfestigt.

Gegen Fabrikschließungen und verstopfte Häfen kann die Fed nichts tun

Bei der letzten Sitzung des geldpolitischen Ausschusses der Fed Mitte Dezember hatten alle 18 Mitglieder zu Protokoll gegeben, dass sie für 2022 mit Zinserhöhungen zwischen einem Viertel- und einem vollen Punkt rechnen. Das war insofern bemerkenswert, als noch drei Monate zuvor die Hälfte der Sitzungsteilnehmer davon ausgegangen war, dass im neuen Jahr überhaupt keine Straffung der Geldpolitik nötig werden wird.

Seit dem Herbst jedoch hat sich die Inflationsdynamik noch einmal deutlich verschärft, was auch mit der aggressiven Haushaltspolitik der Regierung zusammenhängt. Sowohl Präsident Joe Biden als auch sein Amtsvorgänger Donald Trump hatten den Bürgern des Landes mehrfach Geld überwiesen oder Schecks geschickt, um die wirtschaftlichen Härten der Pandemie abzufedern. Zugleich wurden Firmen gestützt und die Arbeitslosenhilfe vorübergehend deutlich angehoben. Entsprechend groß ist jetzt das finanzielle Polster, auf dem viele Familien sitzen und das den Konsum und damit auch die Inflation befeuert. Da wegen der Produktionsausfälle in Asien, verstopfter US-Häfen und fehlender Lastwagenfahrer viele Produkte nicht oder nur mit großer Verzögerung lieferbar sind, steigen die Preise noch zusätzlich.

Gegen solche Lieferengpässe allerdings helfen auch höhere Leitzinsen nicht, weshalb die Fed Gefahr läuft, den Aufschwung zu dämpfen, ohne das Teuerungsproblem zu lösen. Umgekehrt wird allerdings gerne vergessen, dass die Zinsen selbst bei vier oder gar acht Erhöhungen im langjährigen Vergleich immer noch niedrig wären. In den zehn Jahren vor Beginn der Weltfinanzkrise 2008 hatten die Leitsätze in den USA im Schnitt bei etwa dreieinhalb Prozent gelegen. Die Notenbank will ab März auch jene milliardenschwere Käufe von Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren einstellen, mit denen sie seit Pandemiebeginn die langfristigen Zinsen niedrig gehalten und die Wirtschaft gestützt hatte.

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