USA: Ein Jahr Präsident Obama:Der Entzauberte

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Wo steht der US-Präsident nach einem Jahr Amtszeit? Der Hype ist verflogen, und am besten lässt sich die Anti-Obama-Stimmung als ein Phänomen der Überforderung deuten.

Nikolaus Piper

Über die Zukunft der Weltwirtschaft wird am Dienstag in Massachusetts entschieden. An diesem Tag finden in dem US-Bundesstaat Nachwahlen zum Senat statt, und es ist gut möglich, dass die Demokraten den Sitz verlieren, den der legendäre Edward Kennedy 46 Jahre lang innehatte. In dem Falle würde ihnen im amerikanischen Senat jene entscheidende 60. Stimme fehlen, mit der sie sich vor Filibustern schützen können, also vor dem Versuch der Republikaner, Gesetze durch Endlosreden zu verhindern. Dann wäre nicht nur die Gesundheitsreform gefährdet, sondern auch die dringend benötigte Finanzmarkt-Reform.

US-Präsident Barack Obama. Jeder Wahlsieger wurde früher oder später entzaubert - nicht nur in den USA. (Foto: Foto: AFP)

Es ist nur ein knappes Jahr her, dass Barack Obama mit einem riesigen Erwartungsvorschuss ins Weiße Haus eingezogen ist, aber diese Zeit wirkt wie eine Ewigkeit. Nichts zeigt den Stimmungsumschwung besser als die Tatsache, dass der Präsident um die Mehrheit in einem Bundesstaat fürchten muss, der den Demokraten normalerweise so sicher ist, wie es Bayern früher für die CSU war - und das alles hat maßgeblich mit Obamas Wirtschaftspolitik zu tun. Diese Tatsache ist erklärungsbedürftig, schließlich ist die Bilanz des Präsidenten so schlecht nicht.

Der Präsident trat sein Amt am Tiefpunkt der Krise an. Wie man heute weiß, stürzte die Wirtschaft damals noch schneller ab als während der Weltwirtschaftskrise vor 80 Jahren. Dieser Absturz wurde gestoppt - nicht nur, aber auch und entscheidend wegen Obamas Politik. Das allein schon wäre Grund zum Feiern. Dass ihre Wirtschaft wieder wächst, haben die Amerikaner maßgeblich dem Konjunkturprogramm aus dem Weißen Haus zu verdanken.

Der Kurs des Präsidenten war durchweg gemäßigt und pragmatisch. Scheinbar radikale Maßnahmen wie die Verstaatlichung des Autokonzerns General Motors waren aus der Not geboren. Der Zusammenbruch der amerikanischen Autoindustrie wurde verhindert. Der Plan von Finanzminister Timothy Geithner gegen die Finanzkrise ist besser als sein Ruf. Seine Stresstests für die Banken - und die Tatsache, dass deren Ergebnisse veröffentlicht wurden - haben entscheidend zur Stabilisierung des Finanzsystems beigetragen.

Die Entzauberung des Wahlsiegers

Die Pläne der Regierung für neue, schärfere Finanzmarktregeln sind gut, sie müssen nur noch Gesetz werden. Und Obamas Versuch, allen Amerikanern eine bezahlbare Krankenversicherung zu verschaffen, ist die Einlösung eines seiner wichtigsten Wahlversprechen. Dennoch danken ihm die Wähler dies nicht - aus mehreren Gründen.

Noch fast jeder Wahlsieger ist entzaubert worden, nicht nur in den USA. Aber das Ausmaß der Ernüchterung geht bei Obama weit über das Normale hinaus. Ja, es gibt das, was der Publizist Richard Hofstadter einmal den "paranoiden Stil in der amerikanischen Politik" nannte. In diesem Sinne hat die konservative Graswurzelbewegung der "Tea Partys", die sich gegen Obama richtet, durchaus paranoide Züge. Aber der Präsident hat eben auch die Wähler der Mitte verloren, die ihn seinerzeit ins Amt brachten.

Am besten lässt sich die Anti-Obama-Stimmung als ein Phänomen der Überforderung deuten: Der Präsident hat sich zu viel vorgenommen; sein innen- und außenpolitisches Programm wäre auch in normalen Zeiten gewaltig gewesen. Nun kam die größte Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg dazu. Der Präsident hat die Krise gestoppt, aber er ist jetzt auch ihr Opfer geworden. So wie der Afghanistan-Krieg inzwischen Obamas Krieg ist, wurde die Rezession zu "seiner" Krise. Die unvermeidlichen Krisenfolgen - Massenarbeitslosigkeit und Staatsschulden - werden ihm zugerechnet.

Inhaltlich hat der Präsident kaum Fehler gemacht, dafür umso mehr im politischen Management. Er unterschätzte das Arbeitslosenproblem und veröffentlichte zu optimistische Zahlen.

Als besonders verhängnisvoll erwies es sich, dass er sich aus vielen Details der Wirtschaftspolitik heraushielt und die Entscheidungen dem überforderten Kongress überließ. Seine Gesundheitsreform ist deswegen inzwischen ein hässliches Monstrum, in dem auch noch der letzte Hinterbänkler der Demokraten seine Eigeninteressen unterzubringen versuchte. Für nicht versicherte Amerikaner würde das Gesetz immer noch mehr bringen als der gegenwärtige Zustand, aber zur Senkung der Gesundheitskosten trägt es kaum etwas bei. Das kann katastrophale Folgen für die Staatsfinanzen der USA haben. Auch die Finanzmarktreform kann noch komplett scheitern, wenn die Demokraten die Wahl an diesem Dienstag verlieren und die Republikaner bei ihrer Fundamentalopposition bleiben.

Für Obama bleibt jetzt nur eines: Er muss das zeigen, was man in Amerika "Leadership" nennt. Er muss klar machen, was er will. Am wichtigsten ist dies bei der Sanierung der Staatsfinanzen. Die große Krise hat zu einer bis vor kurzem kaum vorstellbaren Staatsverschuldung geführt. Ohne eine klare Sanierungsstrategie droht den Vereinigten Staaten eine Krise der Staatsfinanzen, des Dollars - und ihrer politischen Führungsrolle. Diese Strategie wird ein mangelhaft funktionierender und mit sich selbst beschäftigter Kongress nicht liefern. Obama muss führen.

© SZ vom 18.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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