Handelsstreit:Wie es zwischen China und den USA weitergeht

Lesezeit: 3 min

Stahlarbeiter in einem Werk in der Provinz Shandong: Auf lange Sicht will China von Importen aus aller Welt unabhängig werden - insbesondere von solchen aus den USA. (Foto: China Stringer Network/Reuters)

Seit Monaten ist unklar, wie US-Präsident Biden mit China umgehen wird. Nun zeigt sich: Das Verhältnis dürfte noch schwieriger werden - und auch die Strafzölle werden bleiben.

Von Christoph Giesen, Peking, und Claus Hulverscheidt, Berlin, Peking/Berlin

Kein Trump, keine Zölle? Vielleicht gab es im vergangenen November tatsächlich den ein oder anderen Pekinger Spitzenfunktionär, der nach Joe Bidens Wahlsieg geglaubt hatte, mit dem Einzug des neuen Mannes ins Weiße Haus sei die Zeit der Strafabgaben und Handelskriege wieder vorbei. Elf Monate später weiß man, dass dies ein Trugschluss war: Die massiven Strafzölle, die Bidens Vorgänger Donald Trump aus Frust über das hohe US-Defizit im Handel mit China verhängt hatte, sind weiter in Kraft, und die Haltung des Landes gegenüber dem Rivalen aus Fernost ist keinen Deut weicher geworden.

Im Gegenteil: Glaubt man Bidens Handelsbeauftragter Katherine Tai, dann werden die USA den Druck auf die kommunistische Führung in Peking in den kommenden Monaten noch weiter erhöhen. Tai sagte am Montag in einer Grundsatzrede beim Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington, sie werde zwar das Gespräch mit China suchen und wolle den Konflikt der beiden weltgrößten Volkswirtschaften auch nicht weiter anfachen. Klar sei aber, dass man unfaire Geschäftspraktiken, die Verletzung von Handelsregeln und die wettbewerbswidrige Subventionierung wichtiger Teile der chinesischen Wirtschaft nicht mehr hinnehmen werde. Die Handelspolitik der Regierung Biden werde sich allein daran orientieren, was den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den USA nutze.

Zur Durchsetzung seiner Ziele ist der Präsident demnach offenbar nicht nur bereit, an den von Trump verhängten US-Strafzöllen auf chinesische Warenlieferungen im Volumen von mindestens 250 Milliarden Dollar pro Jahr festzuhalten. Vielmehr könnten sogar weitere Strafabgaben hinzukommen, wenn China nicht kooperiert. Tai sagte, man werde in Zukunft "die gesamte Bandbreite der uns zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen und, falls nötig, neue entwickeln, um die amerikanischen Wirtschaftsinteressen gegen schädliche Handelspraktiken zu verteidigen". Statt sich auf einen Wettlauf nach unten einzulassen, bei dem auf Druck Pekings Freiheit und Arbeitnehmerrechte immer weiter eingeschränkt werden, strebe man "einen Wettlauf nach oben" an, der Demokratie und Marktwirtschaft stärke. Dabei wollen die USA auch "gleichgesinnte Partner" wie etwa die Europäische Union stärker in ihre Strategie einbinden. Damit unterscheidet sich der Ansatz von dem Trumps, der sowohl China als auch die Europäer als handelspolitische Gegner betrachtet hatte.

Das Handelsdefizit soll nicht mehr im Mittelpunkt stehen

Und noch etwas soll sich unter Biden ändern: Es ist nicht mehr das Handelsdefizit gegenüber China, das im Mittelpunkt der US-Überlegungen steht. Trump hatte den Fehlbetrag in Verkennung ökonomischer Zusammenhänge als Schmach für die USA verstanden und seinem Amtskollegen Xi Jinping Anfang Januar vergangenen Jahres im sogenannten "Phase-eins-Handelsabkommen" der beiden Länder abgerungen, dass China bis Ende 2021 zusätzliche Produkte im Gesamtwert von 200 Milliarden Dollar in den USA einkauft. Peking hielt sich jedoch von Beginn an nicht an die Abmachung, vor allem die versprochen Großbestellungen von Autos, Flugzeugen und Flüssiggas fanden nie statt. Nach Berechnungen des Washingtoner Peterson-Instituts für Internationale Wirtschaft blieben die zusätzlichen chinesischen Importe allein 2020 um 41 Prozent hinter den Zusagen zurück. Im laufenden Jahr 2021 beträgt die Lücke bisher rund 30 Prozent.

Tai kritisierte den Vertragsbruch, wertete es jedoch als weitaus dramatischer, dass Trumps Abkommen nichts an den "rücksichtslosen" Praktiken geändert habe, mit denen China sich im globalen Wettstreit der Volkswirtschaften Vorteile verschaffe. Dazu zählen die USA etwa Industriespionage und Ideen-Diebstahl. Auch unterstütze Peking wichtige Zukunftsbranchen weiter mit staatlichen Milliardenhilfen. Gemeint ist vor allem das Programm "Made in China 2025", mit dem die Pekinger Führung Firmen des Landes zu Weltmarktführern in zentralen Zukunftsbranchen wie Biomedizin, Elektromobilität und Raumfahrt hochpäppeln will. Dahinter steckt der Versuch, die USA mittelfristig technologisch, wirtschaftlich und militärisch zu überholen und damit am Ende auch politisch zur dominierenden Weltmacht aufzusteigen.

Aus US-Regierungskreisen verlautete, man könne derzeit nicht davon ausgehen, dass Peking freiwillig zu einer Politik der faireren Handelspraktiken zurückkehre. "Wir müssen erkennen, dass China sich mutmaßlich nicht ändern wird und wir deshalb eine Strategie brauchen, die sich so mit China befasst, wie das Land ist, und nicht, wie wir es uns wünschen", hieß es.

Biden will mehr US-Unternehmen von Zöllen entlasten

Tai kündigte an, dass sich US-Firmen von der Pflicht, Zölle zu zahlen, befreien lassen könnten, wenn dies der Allgemeinheit diene. Damit reagiert die Regierung auf Klagen vieler Betriebe, dass es nicht die Chinesen, sondern die US-Kunden seien, die die finanzielle Last am Ende tragen müssten. Tatsächlich haben US-Firmen seit Verhängung der Zölle bereits mehr als 100 Milliarden Dollar an die Staatskasse überwiesen. Entsprechend groß ist der Druck, den viele Verbände auf Biden ausüben. "Wir müssen uns fragen, ob wir diese Zusatzzölle tatsächlich bis in alle Ewigkeit behalten wollen", sagte der Chef des Amerikanisch-Chinesischen Wirtschaftsrats, Craig Allen, dem Wall Street Journal.

Mit Reaktionen aus China auf Tais Rede wurde angesichts der Zeitverschiebung erst für Dienstag gerechnet. Man darf aber sicher sein, dass am Montagabend Dutzende Regierungsbeamte in Peking vor ihren Bildschirmen saßen. Seit Monaten nämlich hat auch der chinesische Apparat auf diesen Tag gewartet: endlich reagieren können, endlich wissen, woran man ist, endlich selbst eine Strategie entwickeln.

Wie diese aussehen könnte, erfährt man aus der staatlichen Propaganda, wo oft von der "dualen Zirkulation" die Rede ist - von einem Wirtschaftskreislauf innerhalb des Landes und einem außerhalb. Anders gesagt: China soll von Importen unabhängig werden. Gelänge das, so die Botschaft, wäre auch ein lang anhaltender Disput mit den USA kein Problem mehr.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: