US-Notenbank:Sie prägte den Boom der US-Wirtschaft - und muss trotzdem gehen

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"Kleine Lady mit großem IQ" - die Urteile über Janet Yellen sind fast einhellig positiv. Dennoch berief US-Präsident Trump sie nun, nach nur einer Amtsperiode, ab. (Foto: AFP)
  • Die Kritiker sind sich einig wie selten: Janet Yellen hat als Chefin der US-Notenbank eine außerordentlich gute Arbeit gemacht.
  • Dennoch muss sie ihren Posten räumen. Präsident Trump will der Fed eine "eigene Handschrift" verpassen.
  • Ihr Nachfolger Jerome Powell steht vor einer schwierigen Aufgabe. Mittelfristig können sich die Dinge eigentlich nur zum Schlechteren wenden.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Wenn Bilanz gezogen wird am Ende einer Ära, stehen dem Rezensenten oft zwei Wege offen: Mag er den zu Beurteilenden, dann war es vor allem dessen Leistung, die Positives bewirkt oder Schlimmeres verhindert hat. Mag er ihn nicht, waren es vor allem die glücklichen Umstände.

Bei Janet Yellen hingegen ist sich die Schar der Kritiker ungewöhnlich einig: Sie fand durchaus günstige Umstände vor, als sie vor vier Jahren als erste Frau an die Spitze der US-Notenbank Fed rückte - und machte aus der guten Situation eine noch bessere. In einer Umfrage des Wall Street Journal gaben ihr 60 Prozent der teilnehmenden Volkswirte für ihre Arbeit die Note Eins, 30 Prozent entschieden sich für eine Zwei, acht für eine Drei. "Man kann ihr gar nicht genug Anerkennung zollen", sagte Russell Price vom Finanzdienstleister Ameriprise Financial. "Die wirtschaftlichen Ergebnisse sind beinahe optimal."

Das kann man so sagen. Die US-Wirtschaft wächst im achten Jahr in Folge, die Zahl der Beschäftigten nimmt seit 86 Monaten beständig zu, die Arbeitslosenquote sank seit Yellens Amtsantritt von 6,7 auf zuletzt 4,1 Prozent. Zugleich lag die Inflationsrate praktisch durchgängig unter dem Zielwert der Fed von zwei Prozent. Beide Kernaufgaben der Notenbank - stabile Preise und eine möglichst hohe Beschäftigung - sind damit praktisch erfüllt. Yellens Nachfolger Jerome Powell, der die Führung der Zentralbank wohl Anfang Februar übernehmen wird, muss einem beinahe leidtun: Mittelfristig können sich die Dinge eigentlich nur zum Schlechteren wenden.

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Bevor es zum Wechsel kommt, leitete Yellen am Mittwoch noch einmal eine Sitzung des geldpolitischen Ausschusses und nahm letztmals vor der Presse Stellung zu den Beschlüssen. Der Rat entschied, die Tagesgeldzielspanne, den wichtigsten Leitzins, zum dritten Mal in diesem Jahr um einen Viertelpunkt auf jetzt 1,25 bis 1,5 Prozent anzuheben. Damit sollen eine konjunkturelle Überhitzung und ein mögliches Aufflammen der Inflation verhindert werden. Yellen verwies auf die zuletzt überdurchschnittlichen Wachstumsraten und die ungewöhnlich robuste Arbeitsmarktlage. Die geplante Steuerreform werde diese Entwicklung noch stützen, sagte sie. Wie groß der Effekt sein werde, sei aber offen.

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Die Fed-Chefin äußerte sich nicht dazu, ob sie ihre Arbeit gerne bis 2022 fortgesetzt hätte. Sie erinnerte aber daran, dass sie seit 2004 in verschiedenen Führungspositionen für die Fed tätig gewesen sei. "Es war eine lohnende Zeit", die irgendwann aber auch zu Ende gehen müsse, sagte sie. Präsident Donald Trump hatte die Ökonomin im Wahlkampf zunächst als Helferin Hillary Clintons beschimpft, sie später jedoch über den grünen Klee gelobt. Um der Fed eine "eigene Handschrift" zu verpassen, entschied er dennoch, Yellen durch Powell zu ersetzen. Die geborene New Yorkerin, zu deren Mentoren einst auch der Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin zählte, ist damit seit vier Jahrzehnten der erste Mensch an der Fed-Spitze, der nach nur einer einzigen Amtszeit gehen muss.

Die gute Wirtschaftslage, die niedrige Inflation und die hohen Unternehmensgewinne, die Yellen hinterlässt, sind die Folge jener ultralockeren Geldpolitik, mit der die Fed nach der Finanzkrise und dem Konjunktureinbruch des Jahres 2008 gegengesteuert hatte. Die Notenbank senkte unter anderem den Leitzins auf praktisch null und kaufte in großem Umfang festverzinslichen Anleihen auf, um auch die langfristigen Zinssätze zu drücken. "Die US-Wirtschaft ist heute viel stärker, als sie es wäre, wenn die Federal Reserve als Antwort auf die Große Rezession nicht jene unkonventionellen geldpolitischen Mittel eingesetzt hätte", sagte Yellen vor ein paar Wochen.

Die Frage war jedoch stets, ob es der Notenbank gelingen würde, aus dieser lockeren Politik auch wieder auszusteigen. Viele Kritiker, auch in Deutschland, fürchten bis heute, dass die Finanzmärkte von der "Droge" des billigen Geldes nie wieder loskommen werden. Noch ist der Gegenbeweis nicht erbracht, Yellen hat mit dem Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm und den wiederholten Zinserhöhungen seit Ende 2015 aber gezeigt, dass eine Wende ohne Marktchaos möglich ist. Ihr Nachfolger Powell dürfte diesen Weg fortsetzen, Experten rechnen für 2018 und 2019 mit insgesamt bis zu acht weiteren Zinsschritten. Kommt es dazu, läge der Leitsatz mit dann gut drei Prozent wieder auf einem sehr viel neutraleren Ausgangsniveau.

Yellens gute Gesamtbilanz kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass zum Ende ihrer Amtszeit auch Probleme offenbleiben. Dazu zählt vor allem die Frage, warum die Inflationsrate trotz Vollbeschäftigung weiter so niedrig ist. Yellen selbst hat den Rückgang der Teuerung in diesem Jahr als "Mysterium" bezeichnet, aber wenig dazu beigetragen, die womöglich strukturellen Gründe dafür aufzudecken. Nicht abschließend beantwortet ist auch, warum die Wirtschaft seit Überwindung der Rezession meist langsamer wuchs als in früheren Erholungsphasen, die Erwerbstätigenquote immer noch weit unter ihrem Vor-Krisenniveau liegt, die Reallöhne lange stagnierten und die wirtschaftliche Ungleichheit dafür umso schneller zunahm.

Wie nachhaltig ist der Aufschwung?

Die Beschäftigung mit diesen Fragen ist gewiss nicht allein Aufgabe der Fed, dennoch werfen sie einen milden Schatten auf Yellens ansonsten so makellose Bilanz. Einige wenige Brachial-Kritiker halten die Yale-Absolventin, die ihren Mann, den heutigen Wirtschaftsnobelpreisträger George Akerlof, einst in der Cafeteria der Fed kennenlernte, gar für entrückt: Sie stütze sich bei ihren Entscheidungen auf ein völlig veraltetes Inflationsmaß, das die dramatisch gestiegenen Wohn-, Gesundheits- und Studienkosten, unter denen das Gros der Amerikaner ächze, nicht ansatzweise abbilde, schrieb jüngst das konservative Boulevardblatt New York Post. Sie sei "ein Paradebeispiel" für die Entfremdung der Washingtoner Elite vom gemeinen Volk.

Doch das sind Einzelmeinungen. Den meisten Beobachtern wird Yellen als diejenige Notenbankchefin in Erinnerung bleiben, die sich stets um Konsens in der Führung bemühte und mit ihrer klugen, ruhigen Art auch Skeptiker einband. Auch die Finanzmärkte werden die "kleine Lady mit dem großen IQ", wie manche sie nannten, noch vermissen, denn die lockere Geldpolitik der Fed trug maßgeblich zum Kursfeuerwerk der letzten Jahre bei.

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Noch ist allerdings offen, ob der Aufschwung an den Börsen nachhaltig ist oder ob Yellen und ihre Kollegen eine neue Spekulationsblase geschaffen haben, die eines Tages mit einem lauten Knall zerplatzen wird. "Glauben Sie mir: Wenn die Zinsen auch nur ein klein wenig steigen, wird das alles zusammenkrachen", sagte schon im September vergangenen Jahres ein bekannter Finanzexperte, der heute von seiner damaligen Prognose allerdings nichts mehr wissen will und sich stattdessen für die hohen Aktienkurse selbst lobt. Sein Name: Donald Trump.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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