US-Politik:Trumps gefährliches Spiel

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US-Präsident Trump während eines Treffens mit Wirtschaftsvertretern im Weißen Haus. (Foto: dpa)

Die Strategie des US-Präsidenten setzt auf die Wirtschaftslage und die Wut seiner Wähler. Beides droht sich in der Corona-Pandemie gegen ihn zu richten.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Donald Trump hat in den fast dreieinhalb Jahren, die er jetzt im Amt ist, wenig zustande gebracht, das eine Wiederwahl im November rechtfertigen würde. Weil er der Corona-Krise intellektuell nicht gewachsen ist, fordert die Pandemie in den USA einen unerträglich hohen menschlichen und wirtschaftlichen Tribut. Das Vertrauensverhältnis zu Amerikas Verbündeten in der Welt ist zerstört, der Konflikt mit China brandgefährlich. Vor allem aber: Die US-Gesellschaft ist tiefer gespalten denn je, und der Präsident tut nichts, um irgendetwas daran zu ändern. Im Gegenteil: Er nutzt die Wut seiner Kernwähler, um diese anzustacheln und selbst Kraft zu schöpfen.

Dass seine Wiederwahl trotz der verheerenden Bilanz nicht ausgeschlossen ist, zeigt, dass sich der politische Diskurs in den USA längst nicht mehr um Fakten dreht, sondern zum Kulturkampf mutiert ist. Ein kleines Beispiel aus dieser Woche: Als Reaktion auf die grassierende sexuelle Gewalt an Universitäten und Schulen hat die Regierung Trump die Regeln für den Umgang mit Nötigungs- und Vergewaltigungsvorwürfen verschärft - allerdings nicht zulasten, sondern zugunsten der mutmaßlichen Täter. Es ist wahrlich eine Schande - für viele Trump-Anhänger dagegen der Beweis, dass hier endlich jemand gegen die angeblich totale Liberalisierung, die Verweich- und Verweiblichung der Gesellschaft aufsteht.

Das Ausschlachten dieses Glaubenskriegs ist der eine Pfeiler der Trump'schen Wiederwahlstrategie. Der andere sollte die gute Wirtschaftslage ein. Zwar waren die Zahlen nie auch nur ansatzweise so sensationell, wie der Präsident im fast krankhaften Verlangen, immer der Größte zu sein, bis heute behauptet. Sie waren aber gut genug, um jeden demokratischen Herausforderer das Fürchten zu lehren.

Dass Menschen sterben, die nicht sterben müssten, ist Trump schlichtweg egal

Mit Corona hat sich die Lage jetzt dramatisch verändert. Die Wirtschaftsleistung bricht ein wie zuletzt vor 90 Jahren, die Arbeitslosenzahl steigt ins Unermessliche. Noch hat das den Zustimmungswerten Trumps kaum geschadet, denn die Menschen wissen ja, dass er zwar gravierende Fehler gemacht, die Corona-Krise aber nicht verursacht hat. Seine Strategie ist deshalb, die Beschränkungen für die Wirtschaft so rasch wie möglich wieder aufzuheben, um große Teile seiner Erfolgsstory bis in den November hinein zu retten. Dass sich das Virus so weiter ausbreiten kann und Menschen sterben werden, die nicht sterben müssten, ist einem Mann, dessen Denken nur um den eigenen Vorteil kreist, schlichtweg egal.

Doch das Spiel, das er treibt, ist nicht nur medizinisch, sondern auch politisch gefährlich, denn die Zahl der Ansteckungen ist in zahlreichen Bundesstaaten nicht etwa rückläufig, sie steigt vielmehr an. Hart getroffen sind auch Arizona, Florida, Michigan, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin - jene sechs Staaten also, von denen Trump, Stand heute, mindestens vier gewinnen muss, will er Präsident bleiben. Sollten Rezession und Stellenabbau, wie allgemein erwartet, ausgerechnet dort besondere Verheerungen anrichten, wird das dem Amtsinhaber mehr schaden als jede Lüge und jeder frauenfeindliche Spruch. Auch die Senkung der Sozialversicherungssteuer, die Trump in einer Art Verzweiflungsakt durchsetzen will, wird den Betroffenen nicht helfen.

Amerika kann sich darauf gefasst machen, dass die Monate bis zur Wahl geprägt sein werden von einer Kanonade aus präsidialem Aktionismus, Unwahrheiten und PR-Blendwerk. Einen Vorgeschmack erhielt man schon Anfang April, noch zu Beginn der Corona-Krise also, als Trump in Versalien bei Twitter schrieb: "Licht am Ende des Tunnels!" Für ihn selbst wird sich am 3. November erweisen, ob der helle Schein, den er da angeblich erspähte, tatsächlich das Tageslicht war. Oder ein entgegenkommender Zug.

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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