Börse:Nie wieder alles auf eine Aktie

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Ron Sommer steht 1996 vor der Anzeigentafel der Deutschen Börse in Frankfurt, im Hintergrund der Erstausgabepreis von 28,50 Mark. Den Wert konnte die Aktie nicht halten. (Foto: Stephanie Pilick/dpa)

10 000 Tage Telekom-Aktie: Ältere Anleger erinnern sich noch an das Desaster. Doch auch Jüngere können heute daraus lernen.

Kommentar von Harald Freiberger

Die Telekom-Aktie feiert gerade ein Jubelfest, von dem viele gar nicht wussten, dass man es feiert: Vor genau 10 000 Tagen, am 18. November 1996, ging das ehemalige Staatsunternehmen an die Börse. Erinnern werden sich daran nur noch die Älteren, die Jüngeren wussten vor zehn Jahren schon nicht mehr, wer Ron Sommer war (damals Telekom-Chef und bekanntester deutscher Manager, so vergeht der Ruhm der Welt). Trotzdem lohnt es sich, an den Tag zu erinnern, weil Anleger daraus einige wertvolle Lehren ziehen können.

Die T-Aktie entfachte einen Börsenboom, wie es ihn vorher und seither in Deutschland nicht mehr gegeben hat. Millionen Bundesbürger ließen sich durch eine beispiellose Werbekampagne aufs Parkett locken. Sie hätten keinen besseren Zeitpunkt erwischen können, weil gerade der Technologie-Hype Fahrt aufnahm: Alles, was mit Telekommunikation, Internet, Biotech oder Medien zu tun hatte, entwickelte an der Börse eine aus heutiger Sicht wahnsinnige Fantasie. In ihrem Zuge stieg auch der Wert der T-Aktie bis zum Jahr 2000 um das Siebenfache. Viele Deutsche wähnten sich reich.

"Geld-Rausch" titelte die Bild-Zeitung im Februar 2000, und darunter etwas kleiner: "Deutsche reden nur noch über Aktien-Tipps, Frauen spekulieren mit dem Haushaltsgeld, ein Lehrer fragt: Warum soll ich noch arbeiten?" Wenige Tage später war der Spuk vorbei. Die Blase begann zu platzen, der Crash dauerte drei Jahre lang, am Ende hatte der Deutsche Aktienindex (Dax) rund 70 Prozent eingebüßt. Die T-Aktie fiel auf die Hälfte des Wertes, zu dem Millionen Bundesbürger sie vor heute genau 10 000 Tagen erstanden hatten. Es herrschte große Ernüchterung, die auch lange anhielt. Erst in den vergangenen Jahren stieg die T-Aktie merklich über ihren Ausgabepreis, heute steht sie etwa 50 Prozent höher. Was aber nicht viel ist: Der Dax hat sich im selben Zeitraum mehr als versechsfacht.

Steigt der Kurs steil, ist Vorsicht geboten

Die erste Lehre, die Anleger heute daraus ziehen können, ist, niemals auf einen Hype um eine einzelne Aktie hereinzufallen. Ein Unternehmen kann immer in die Krise geraten, und sei es noch so erfolgreich, so wie die Boom-Aktien der vergangenen Jahre: Tesla, Apple oder Microsoft. Die Telekom ist mit ihnen nicht zu vergleichen, sie war nie erfolgreich. Die Erfahrung an der Börse allerdings schon: Es ist immer hochriskant, auf einzelne Aktien zu setzen. Deshalb empfehlen alle seriösen Anlageberater, ein Investment auf viele Unternehmen zu verteilen, zum Beispiel über ETFs, die einem Aktienindex folgen.

Die zweite Lehre hängt damit zusammen: Was hoch steigt, kann tief fallen. Geht der Kurs einer Aktie steil nach oben, so wie bei der Telekom von 1996 bis 2000, ist besondere Vorsicht geboten. Es ist klar, dass die Kurve nicht immer so weitersteigen kann und die Absturzgefahr dann besonders groß ist. Das gilt gerade im Hinblick auf die boomenden US-Technologieaktien der vergangenen Jahre.

Die dritte Lehre ist eine psychologische: Viele T-Aktionäre waren nach dem Absturz tief frustriert und sagten sich "nie wieder Aktien". Das war ein großer Fehler, wenn man sieht, welche enorme Entwicklung die Börse seit 2004 genommen hat. Aber nicht erst seitdem: Über mehr als ein Jahrhundert lang waren Aktien weltweit die mit Abstand erfolgreichste Anlageform, sie brachten im Durchschnitt eine jährliche Rendite von sechs bis acht Prozent. Langfristig gibt es nichts Besseres, als breit gestreut in Aktien zu investieren, gerade für die Altersvorsorge. Man darf sich von Einbrüchen nicht frustrieren lassen. Sie gehen vorbei, auch das lehrt die T-Aktie.

Allerdings wäre es wirklich besser gewesen, sie nach dem Einbruch um die Jahrtausendwende zu verkaufen, weil sie im Vergleich zu anderen Aktien über lange Sicht deutlich schlechter abschnitt. Das ist die vierte Lehre: Trenne dich von schlechten Aktien. Viele Menschen wollen auf keinen Fall Verlust machen und zumindest ihren Einstiegskurs wiederhaben. Auf diese Weise verlieren sie oft viel Geld, das woanders besser investiert wäre - zum Beispiel breit und langfristig in einem ETF und nicht kurz und spitz in einer Mode, wie es die T-Aktie vor langer Zeit einmal war.

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