Steuern:Wie sich Saudi-Arabien vom Öl unabhängig machen will

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Flammen in der Wüste von Saudi-Arabien: Saudi Aramco expandiert auch im Gasgeschäft kräftig. (Foto: Ali Haider/epa)
  • Der Rohstoff bringt nicht mehr so viel ein wie noch vor Jahren. Daher führt die Regierung eine Mehrwertsteuer ein.
  • Weitere Staaten am Persischen Golf folgen dem Vorbild.
  • In der Bevölkerung formiert sich Widerstand.

Von Dunja Ramadan, München

Es ist eine Ära, die zu Ende geht. Bislang mussten Bürger in Saudi-Arabien oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten keine Steuern zahlen. Der Staat galt als Rundum-Versorger - jedenfalls für die Einheimischen, sie erhalten staatliche Zuschüsse für den Häuserbau oder zinsfreie Kredite. Die Steuerfreiheit war ein Lebensstil, das Benzin war fast geschenkt, es gab keine Mehrwertsteuer auf den Restaurantbesuch oder auf das Flugticket, im Gegenteil - der Staat subventionierte Treibstoff, Lebensmittel und andere Gebrauchsgüter. Auch viele Fachkräfte aus dem Ausland lockte die Steuerfreiheit an den Persischen Golf. Dass sie nun Geld an den Staat abgeben müssen, ist ein Kulturwechsel.

Seit Montag wird für fast alle Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, Nahrungsmittel, Kleidung, Benzin und Elektronikartikel ebenso wie für die Wasser-, Strom- und Telefongebühren eine fünfprozentige Mehrwertsteuer erhoben. In Deutschland liegt der Normal-Steuersatz bei 19 Prozent. Die anderen Länder des Golfkooperationsrates GCC ziehen in den nächsten Jahren nach: Das Sultanat Oman und Kuwait möchten die Mehrwertsteuer von 2019 an erheben, Bahrain bereits Mitte 2018. Vor zwei Jahren hatten sich die Finanzminister des GCC auf eine flächendeckende Einführung der Mehrwertsteuer geeinigt, sie legten allerdings keinen fixen Termin zur Umsetzung fest.

Die Regierungen begründen den Schritt vor allem mit dem sinkenden Ölpreis - die Value Added Tax, kurz VAT, könnte auch der Beginn eines breiter ausgelegten Steuerprogramms werden. Denn auf längere Sicht müssen neben den Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft neue Einnahmequellen erschlossen werden, um die staatlichen Ausgaben zu decken. Doch bislang ist nicht die Rede von der Einführung der Einkommenssteuer, da die Länder sonst befürchten müssen, zu viele ausländische Fachkräfte zu verlieren.

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Auch viele Subventionen, etwa für Wasser, Strom oder Benzin werden nacheinander gestrichen. Saudi-Arabien startete mit einem drastischen Anstieg der Benzinpreise in das neue Jahr. Ein Liter Benzin Super kostet nun das Doppelte. Das sind zwar umgerechnet nur 45 Cent, doch für das Königreich ist es ein drastischer Anstieg. Der Schritt solle helfen, den schnell wachsenden Konsum von Energieprodukten zu reduzieren, berichtete die staatliche Saudische Nachrichtenagentur SPA.

Auch Reiche müssen zahlen

Vor allem ausländische Gering- und Mittelverdiener sind von der neuen Mehrwertsteuer betroffen. Insgesamt zehn Millionen ausländische Arbeitnehmer, vor allem aus Indien und Pakistan, leben und arbeiten im Königreich unter rund 20 Millionen Einheimischen. Die "Vision 2030" des mächtigen 32-jährigen Kronprinzen Mohammed bin Salman will den Golfstaat auf eine Zeit nach dem Öl vorbereiten, in wachsende Branchen investieren, neue Arbeitsplätze schaffen. Langfristig müssen die Saudis also die zehn Millionen Expats ersetzen. Bislang gibt es kaum saudische Kellner oder Klempner, doch das muss sich ändern, wenn das Land seinen Lebensstandard beibehalten möchte - deshalb möchte man die Zahl der Arbeitsmigranten langfristig reduzieren. Die neuen Regelungen treffen deshalb vor allem die Arbeitsmigranten, von denen viele ihr Geld in die Heimat schicken. Die saudische Regierung will das Geld lieber im Land behalten, deshalb versteuert sie nun auch den Transfer von Geld ins Ausland.

Auch die reichen Saudis werden nun stärker zur Kasse gebeten: So bleiben öffentliche Schulen und die öffentliche Gesundheitsversorgung zwar steuerfrei, dafür werden Privatschulen und die private Gesundheitsversorgung versteuert. Für saudische Bürger der unteren und mittleren Einkommensklasse wurde im Vorfeld ein "Bürgerkonto" angelegt, um die fünfprozentige Versteuerung aufzufangen. Je nach den Einkünften aller Mitglieder eines Haushaltes, zahlt die Regierung einen Zuschuss, damit diese die abgebauten Subventionen weniger zu spüren bekommen. Die zweite Auszahlung ist für den 10. Januar geplant. Ein wenig konnten sich die Saudis allerdings schon an das Fremdwort Steuern gewöhnen. So wurde im vergangenen Sommer eine Besteuerung von Tabak, Energy- und Softdrinks eingeführt. Limonaden verteuerten sich um 50 Prozent, Energydrinks sogar um 100 Prozent.

Eine Pizza-Kette protestiert

In den Emiraten sind die 1,5 Millionen Einheimischen in der Minderheit, rund 80 Prozent der 9,5 Millionen Einwohner sind Ausländer. Die Lebenshaltungskosten etwa in Dubai sind auch im Vergleich zu Europa sehr hoch. Deshalb wird es auch hier vor allem die ausländischen Geringverdiener treffen. Telefonate ins Ausland werden teurer, genauso wie Ausgaben für Schuluniformen, Schulessen und Bücher. Da auch Hotelübernachtungen fünf Prozent teurer werden, sind auch Touristen betroffen.

In den sozialen Netzwerken formiert sich bereits Widerstand. Unter dem Hashtag "Das Gehalt reicht nicht" beklagen viele die ausgebliebene Gehaltserhöhung. Einige Unternehmen, wie etwa die saudische Coffee-Shop-Kette Java Time oder die US-Kette Domino's Pizza werben mit dem Slogan "Überlass' uns die Steuer" und versprechen den Kunden, dass sie die Preise nicht erhöhen werden.

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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