George David Banks ist nicht irgendwer im Weißen Haus. Der Mann mit Schnäuzer und Kinnbärtchen sitzt im Nationalen Sicherheitsrat. Er ist der oberste Klimaberater von Donald Trump. Aber fragt man ihn, wie es nun weitergeht mit dem Klimaschutz in Washington, ist seine Antwort immer dieselbe. "Eine Reihe von Fragen ist noch nicht entschieden", sagt er dann mit einem Lächeln.
Interessante Aussage nach einem Jahr, in dem Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses seinen Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt hat. In dem kurz nacheinander erst Hurrikan Irma zuschlug und dann Maria. In dem der drittgrößte Waldbrand in der Geschichte Kaliforniens Milliardenwerte vernichtet. 2017, das Jahr der Widersprüche.
Alle Länder außer den USA bleiben dem Pariser Klimaabkommen treu
Es ist eine kleine Gruppe von Journalisten, die Banks zu sich vorlässt, am Rande der Klimakonferenz in Bonn. Neun Leute, die Fragen gehen reihum. Banks antwortet leise, und wenn der Oberberater nicht weiterweiß, gibt er an einen Diplomaten aus dem Außenministerium weiter, oder er fragt den Klimafachmann von Vizepräsident Pence. Der sitzt gleich hinter ihm.
Was die USA jetzt machen werden in der Klimapolitik? "Für uns ist wichtig, dass wir gleiche Bedingungen für alle haben", sagt Banks. Das liege im nationalen Interesse Amerikas. "Und zwar unabhängig davon, was der Präsident letztendlich macht", fügt Banks hinzu. "Ob er den formalen Ausstieg verschickt oder aber entscheidet, drinzubleiben."
Das ist die Lage im Jahr zwei nach Abschluss des Pariser Klimaabkommens: Die größte Volkswirtschaft der Erde hat sich schon wieder davon abgewendet. Aber was machen die anderen? Sie bleiben ihm treu.
2017 wird eines der heißesten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen werden
Erst wird aus dem Club der sieben wichtigsten Industriestaaten ein Club der sechs, die sich zum Klimaschutz bekennen. In Hamburg werden aus den G 20 die G 19, wenn es um den Kampf gegen die Erderhitzung geht. Und in den USA bekennen sich reihenweise Bundesstaaten, Städte und Unternehmen zu den Zielen des Klimavertrags von Paris. "Feuerwehrleute hören auch nicht auf die Brandstifter", sagt Jay Inslee, demokratischer Gouverneur des US-Bundesstaats Washington. "Die Welt hat Donald Trumps Versuch zurückgewiesen, die Klima-Wissenschaft zu leugnen."
Aber geht es der Welt deshalb besser? Nicht im Entferntesten. Absehbar wird 2017 eines der heißesten Jahre in der Geschichte der Wetteraufzeichnungen werden. Die globalen Treibhausgasemissionen steigen leicht, nach drei Jahren der Stagnation. Und Deutschland wird zum Beispiel dafür, dass als Erstes die Klimaziele infrage gestellt werden, wenn diese nicht mehr erreichbar zu sein scheinen - aber nicht die Politik. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich das geplante Minus von 40 Prozent gegenüber 1990 bis 2020 kaum noch erreichen lässt. Wenig spricht dafür, dass eine große Koalition, sollte sie kommen, daran viel ändern wird.
"Auf der abstrakten Ebene kann jeder den Klimaschutz unterschreiben", sagt Anders Levermann, Klimaforscher beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Aber auf der konkreten Ebene wird es schwierig."
Nichts spiegelt das besser als der Umgang mit der Kohle, Deutschlands größtem Klimaproblem. Ehe Union, FDP und Grüne ihre Bemühungen um eine Koalition schließlich aufgaben, hatten sie erbittert um die Abschaltung von Kohlekraftwerken gestritten. Union und FDP wollten möglichst wenige abschalten, die Grünen möglichst viele. Weil vor allem in den Kesseln der Braunkohlekraftwerke viel Kohlendioxid entsteht, wird um ihre Stilllegung kaum ein Weg herumführen. "Wer einen Kohleausstieg nicht will, der will auch keinen ernsthaften Klimaschutz", sagt Forscher Levermann.
So wächst überall das Chaos. Physikalisch, weil eine wärmer werdende Erde ganz offensichtlich stärker zu extremem Wetter neigt. Und politisch, weil sich neben die Paris-Unterzeichner nun viele große und kleine Trumps mischen. Neben dem "realDonald Trump" (so sein Twitter-Name) auch eine klimaskeptische Regierung in Polen oder eine AfD in Deutschland. Letztere sieht sogar Vorzüge in wachsenden Kohlendioxid-Emissionen.
"Günstigere erneuerbare Energien führen dazu, dass der Ölpreis verfällt."
"Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus", heißt es im Grundsatzprogramm der Partei. Damit flammen Diskussionen neu auf, die viele Klimaforscher längst überwunden glaubten.
Doch es entsteht eine Gegenbewegung. Versicherer ziehen sich aus der Finanzierung von Kohle zurück, Staaten bekennen sich zum Ausstieg. In mehreren Ländern wollen sich Regierungen vom Verbrennungsmotor verabschieden. "Es gibt eine enorme Dynamik für mehr globalen Klimaschutz", sagt Christoph Bals, Geschäftsführer der Entwicklungsorganisation Germanwatch. "Wir treten in eine neue Phase. Allerdings wächst auch die Einsicht, dass diese Phase nicht allein vom guten Willen einiger Staaten und Unternehmen leben kann - sondern flankiert werden muss von einem Preis auf Kohlendioxid. Er würde es teurer machen, Kohle, Öl und Gas zu verfeuern, zugunsten der sauberen Alternativen. In Deutschland forderte das zuletzt der Sachverständigenrat, in Frankreich Staatspräsident Emmanuel Macron, weltweit ein Bündnis von Dutzenden Konzernen, die sich zuletzt an die G-20-Staaten gewandt hatten, schließlich auch Umweltverbände.
"Der Ausbau immer günstigerer erneuerbarer Energien wird dazu führen, dass der Ölpreis weiter verfällt", sagt Germanwatch-Mann Bals. "Wir sehen schon jetzt neben dem Boom für Elektromobilität auch einen Boom bei SUVs." Auch auf die Kohledebatte in Deutschland könnte ein ausreichend hoher CO₂-Preis die Antwort sein - die schmutzigsten Kraftwerke würden damit als Erstes unwirtschaftlich.
Wozu die Staaten bereit sind, wird sich aber schon im nächsten Jahr zeigen. Dann sollen sie das Regelwerk zum Pariser Klimaabkommen aushandeln. Von ihm hängt ab, ob es neben den vielen schönen Versprechungen einzelner Staaten auch wirksame Kontrollen gibt. Das seltsame Jahr 2017, in dem die USA gleichzeitig zum Bösewicht in Sachen Klimawandel und zu einem seiner größten Leidtragenden wurden, könnte sich dafür auszahlen. "2017 hat neue Unruhe gebracht, und es hat die Klimapolitik wieder in die Schlagzeilen rücken lassen", sagt Klimaforscher Levermann. "2017 war ein Aufrütteljahr."