Markus Ament war schon dort, und mit dem, was er vorhatte, konnte er woanders nicht hin. Vor sechs Jahren hat der 41-Jährige mit drei Mitstreitern Taulia gegründet, sie bieten eine Software-Lösung an, mit der Unternehmen ihre Lieferanten schneller bezahlen können. "San Francisco stand nie zur Diskussion", sagt er über den Gründungsort: Zum Valley hätte es vor sechs Jahren, kurz nach dem weltweiten Finanzchaos, keine Alternative gegeben. Dort seien die Leute gewesen, die Taulia brauchte, die weltweit besten Software-Spezialisten, und vor allem das nötige Geld. "Wir wollten nicht organisch wachsen, sondern brauchten zum Start viel Geld auf einmal", sagt Ament.
All das gab es in dem Umfang nirgendwo sonst, nicht in London oder Tokio, nicht in Berlin.
In den vergangenen Jahren hat sich deshalb ein regelrechter Wirtschafts-Tourismus nach Kalifornien entwickelt. Die ganze Welt hat sich auf den Weg ins Silicon Valley gemacht. Alle wollen herausfinden, was es auf sich hat mit dem Ort, an dem die Zukunft gemacht wird. Die staunenden Besucher wollen von den jungen Millionären lernen und von ihren Geschäftsmodellen. Und sie wollen sich auch ein bisschen gruseln - ob der Wucht, mit der die Leute dort die Welt verändern und die Wirtschaft. Wie sie angestammte und noch vor Kurzem hochgradig lukrative und profitable Branchen aushebeln und durch neue Geschäftsmodelle ersetzen.
Albtraum der alten Industrie
Eine solche Disruption ist der Traum der jungen Gründergeneration, die sich in Kalifornien ansiedelt. Sie ist gleichzeitig der Albtraum der alten Industrie, der Wirtschaft in Deutschland. Denn womöglich werden in diesem Augenblick an der Westküste der USA Geschäftsmodelle entwickelt, von denen die zahlreichen heimlichen Weltmarktführer des deutschen Mittelstandes einfach weggefegt werden.
Was die meisten Valley-Touristen beeindruckt, ist die Mischung. Dort treffen im wesentlichen fünf Dinge aufeinander: die wissenschaftliche Exzellenz der Stanford Universität, eine seit Jahrzehnten bestehende IT-Unternehmenslandschaft, eine enorme Dichte von Kapitalgebern und schließlich junge, risikobereite Unternehmer. Und alles umgeben von dem berühmten Silicon-Valley-Geist: der unbedingten Bereitschaft zum Unternehmertum, dem Erfindungsreichtum und der Comeback-Mentalität, wenn die Sache beim ersten oder zweiten Mal in die Hose geht.
Spricht man mit Michael Müller (SPD), dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, existiert das Silicon Valley Europas bereits. Es liege an der Spree und es heiße Berlin. Nun gehört Werbung zum Geschäft. Wahrscheinlich würde auch der Bürgermeister von Blankenheim in der Eifel im Zweifel von seiner Gemeinde behaupten, sie habe sich ein paar Aspekte aus dem Wunder-Landstrich in Kalifornien abgeschaut.
Am "Winterfeldtplatz" sagt man angeblich, man sitze am "Silicon Platz"
Müller allerdings hat gute Gründe für seine These. 60 000 Arbeitsplätze gebe es bereits im digitalen Geschäft, alle 20 Stunden werde ein neues Unternehmen gegründet. Berlin habe London überholt, wenn es darum gehe, Gründungskapital für junge Unternehmer zu organisieren. Berlin ist neben Tel Aviv zumindest unter den größeren Nummern in der Welt dabei.
Es geht immer weiter und immer schneller. Cisco hat kürzlich ein Büro eröffnet. Beim Start-up-Center der Telekom am "Winterfeldtplatz" sagt man angeblich, man sitze am "Silicon Platz". Und die im Valley wiederum reden angeblich von Industry 4.0 ausgesprochen Vier-Punkt-Null, weil man dort mit Interesse beobachtet, wie die Germans gerade ihre industrielle Basis digitalisieren. Nicht nur in Berlin übrigens, auch in Aachen oder Karlsruhe.
Man muss das alles mit einer gewissen Portion Nüchternheit sehen. Vieles davon ist aufgeblasen und übertrieben, um die eigenen Geschäfte zu befördern. Doch ist der Hype eben nicht völlig übertrieben.