SZ-Wirtschaftsgipfel:Alles ist Internet - Internet ist alles

Autopilot im Tesla Model S

Schön, wenn das Auto ganz allein nachhause findet. Aber was, wenn ein Haacker das Steuer übernimmt, oder der Rechner im Wagen abstürzt?

(Foto: Bloomberg)
  • Die Digitalisierung unserer gesamten Lebenswelt schreitet mit atemberaubendem Tempo voran - das bringt Chancen mit sich, aber auch Probleme.
  • Auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel diskutieren Politik, Gründer und Konzernchefs, wie dieses Internet der Dinge gestaltet werden sollte.

Von Varinia Bernau, Thomas Fromm und Max Hägler

Mit dem Internet der Dinge ist es so eine Sache. Kühlschränke gehören dazu, Thermostate im Wohnzimmer, sogar ganze Fabriken. Alles wird zunehmend miteinander vernetzt, klar. Aber gelten überall die gleichen Regeln? Natürlich nicht. Wer im Winter auf dem Heimweg vom Auto aus seine Thermostate reguliert und die Zimmer schon mal wärmer macht, wird so etwas ganz praktisch und einfach finden. Aber zu den Dingen, die in den kommenden Jahren Teil dieses Internets der Dinge sein werden, gehört auch das Auto selbst. Computer auf vier Rädern also. Und das ist der Knackpunkt: Wer solche Computer hackt, entert nicht mehr nur die Festplatte - wird ein Auto gehackt, wie es neulich chinesische Studenten bei einem Wagen der Marke Tesla vorgemacht und dabei Türen und Fenster beim Fahren aufgemacht haben, dann liegen die Dinge anders. Dann geht es nicht um die Zimmertemperatur, sondern schnell um Leben und Tod. Deshalb ist die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg skeptisch. Nur eine Viertelstunde brauche man, um die fernzusteuern, sagt sie. "Wenn da einer totgefahren wird, schädigt das die ganze Industrie." Einer, der ein großes Interesse daran hat, dass im Auto alles funktioniert, ist Elmar Degenhart, Chef des Autozulieferers Continental. Früher war das ein ganz normaler Lieferant mit Schwerpunkt Reifen, heute ist das immer mehr ein IT-Konzern, der die Technik für Roboter-Autos entwickelt.

"Wir müssen unsere Autos sicher machen vor Hacker-Angriffen", sagt Degenhart. Nichts wäre dümmer, als wenn das Auto, dieser Teil des Internets der Dinge, bei 160 Stundenkilometern auf der Autobahn neu gestartet wird wie ein Computer oder ein digitales Thermostat.

Deutschland treibt die Entwicklung durch Sensor-Technik voran

Vishal Sikka gibt ein anderes Beispiel, was das Internet der Dinge konkret bedeutet: In wenigen Jahren werden in einem Saal, wie dem im Hotel Adlon, wo der indische Manager nun sitzt, Tausende Sensoren arbeiten und Menschen wie auch Technik vermessen, sagt der Vorstandschef von Infosys, einer der größten IT-Firmen der Welt mit Hauptsitz in Bangalore und 190 000 Mitarbeitern. Pulsschlag, Luftdruck und noch undenkbare Dinge würden dann als Daten ins Netz gesendet. "Wir können wahrscheinlich noch gar nicht absehen, was da kommen wird", sagt Sikka, der in Palo Alto im Silicon Valley lebt.

Getrieben werde diese Entwicklung von Deutschland, das bei Sensoren, also den Sinnesorganen der Computer, weltweit dominierend sei. Der Sensor, der Handys anzeigt, ob es gekippt ist, stammt etwa oft von Bosch. Schaffe es Deutschland nun noch starke Datenleitungen zu bauen und Fabriken zu koppeln, dann könne das Land insgesamt führend werden in dieser nächsten Stufe der Digitalisierung, sagt Sikka. Arbeitslos würden die Menschen dadurch nicht. Gewiss, manche Aufgaben würde die Technik übernehmen, aber unter dem Strich entstünden mehr Jobs, glaubt der IT-Experte: die Menschen müssten sich eben kreativ neue Aufgaben ausdenken. Auch Christian Deilmann ist überzeugt, dass das Internet der Dinge das Leben vor allem angenehmer macht. Seine Firma Tado baut intelligente Heizungssysteme - ein umstrittenes Thema, weil sich damit nicht nur das Zimmer bequem aus dem Auto heraus heizen lassen kann, sondern weil Fremde womöglich auslesen könnten, wer wann daheim ist. Deilmann widerspricht: "Die Daten sind bei uns so sicher wie bei der Deutschen Bank." Justizminister Heiko Maas (SPD) beruhigt das nur begrenzt. Er fragt: Was geschieht denn nun eigentlich mit all den Daten, die da gesammelt werden? In Autos, Heizungen und sonstwo? Er trete Neuem zwar nicht grundsätzlich skeptisch entgegen, so Maas. Aber: Ein digitales Fitnessarmband habe er nicht. Wozu auch? Wobei man mit der Diskussion über Chancen und Risiken eher "am Anfang als am Ende" sei.

Eine Risiko, das Domscheidt-Berg empört, ist die Tatsache, dass sie vielen Apps Zugriff auf Daten gewähren muss, die diese gar nicht benötigen. Warum müsse etwa eine schlichte Taschenlampen-App ihre Standortdaten erfassen? Neulich hat sie einen Wagen gemietet - und sich über ein blinkendes Symbol gewundert. 20 Minuten habe sie gebraucht, um im Handbuch rauszufinden, dass der Mietwagenanbieter mitschneidet, wo sie entlang fährt. Erst nehmen, dann um Erlaubnis fragen - das ist nicht nur schlechter Stil, es erschüttert auch viel Vertrauen, sagt Domscheit-Berg. "Wir können es uns auch als Wirtschaft nicht leisten, auf den Datenschutz zu verzichten."

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