Fall Khashoggi:Bleibt weg aus Saudi-Arabien!

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Die Chefs von Siemens & Co. sollten nach dem Verschwinden des Journalisten Khashoggi von der Wirtschaftskonferenz in Riad fernbleiben - und auch die Bundesregierung muss endlich umsteuern.

Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

In Saudi-Arabien findet in der kommenden Woche ein Wirtschaftskongress statt, der als "Davos in der Wüste" gilt. Ein heikler Moment: Vor fast zwei Wochen ist der regimekritische Journalist Jamal Khashoggi aus einem saudischen Konsulat in der Türkei verschwunden. US-Manager haben deshalb ihre Teilnahme abgesagt, darunter Bob Bakish, Chef des Medienkonzerns Viacom, und Dara Khosrowshahi, Boss des Transportdienstleisters Uber. Die New York Times hat sich als Medien-Partner zurückgezogen. In Deutschland herrscht dagegen noch Zurückhaltung.

Bei Siemens und der Beratungsfirma Roland Berger heißt es, ihre Chefs Joe Kaeser und Edouard Bouée, hätten noch keine Entscheidung getroffen. Man warte die Entwicklung im Falle Khashoggi ab.

Worauf aber wollen Kaeser und Bouée noch warten? Wenn ein saudischer Journalist aus einer Vertretung seines Landes in der Türkei verschwindet, wenn die türkischen Behörden erklären, Khashoggi sei in dem Gebäude getötet worden und wenn es die saudische Regierung bis heute nicht geschafft hat, zu belegen, dass der Regimekritiker noch lebt, ist der Verdacht auf ein gezieltes Verbrechen im Auftrag der Regierung in Riad naheliegend. Der abstoßende Vorgang wäre Anlass genug, um über Maßnahmen gegen das Königreich zu diskutieren, das zu den reichsten Ländern der Welt zählt, aber auch zu den totalitärsten, in dem das letzte Maß allen Rechts die islamische Scharia ist.

Verschwundener Journalist
:Konzerne meiden wegen Fall Khashoggi Wirtschaftskonferenz in Riad

Immer mehr Unternehmen sagen ihre Teilnahme am "Davos in der Wüste" in Saudi-Arabien ab. Auch Siemens ist dort Partner - und "verfolgt den Fall sehr genau".

Gründe, dieses Königreich mit Sanktionen zu belegen, gibt es seit Jahrzehnten. Doch die Regierungen der Welt haben sich für Nachsichtigkeit entschieden, denn Saudi-Arabien war lange der größte Ölproduzent der Welt. Niemand wollte dem Lieferanten des Treibstoffs der Wirtschaft zu nahe treten, zumal das Regime in Riad meist als verlässlicher Partner der Industrieländer in einer Krisenregion durchging. Das gab den Saudis traditionell eine Ausnahmestellung am Golf, auch als Kunde: Besonders gerne verkaufen Amerikaner und Deutsche moderne Waffen und Autos an den reichen Wüstenstaat.

Es wäre realitätsfremd jetzt anlässlich des Falles Khashoggi die moralische Keule herauszuholen und die Saudis endlich wegen ihrer Menschenrechtspraxis an den Pranger zu stellen. Der Westen, auch Deutschland, hat sich dort so gründlich versündigt, dass sich weltweit der Eindruck verbreitete, Prinzipien hätten in der Politik keine Bedeutung, wenn es um die Versorgung mit Erdöl geht.

Der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte ein Umsteuern versucht und gefordert, die deutschen Waffenlieferungen an das Königreich einzuschränken. Er hat damit viel Kritik auf sich gezogen. Nicht nur in Saudi-Arabien, das nach seiner Kritik beleidigt seinen Botschafter aus Berlin abzog und den obersten deutschen Diplomaten im Lande heimschickte. Kritik gab es auch zu Hause. Die jetzige große Koalition übt wieder viel Verständnis für Waffenlieferungen. Die CDU nimmt gerne Rücksicht auf die Interessen der deutschen Rüstungsunternehmen, die Sozialdemokraten fühlen sich den Arbeitsplätzen in den Waffenschmieden verpflichtet. In diesen Wochen sollten sich die angespannten Beziehungen mit Saudi-Arabien von der Gabriel-Attacke wieder erholen. Die Botschaftsposten in Riad und Berlin sind inzwischen wieder besetzt. Es sollte alles wieder sein wie zuvor.

Saudi-Arabien kann die Bundesrepublik nicht mehr ernsthaft erpressen

Doch nun: der Fall Khashoggi. Jetzt sollte die Bundesregierung innehalten, zumal man es sich leisten kann. Das Nahost-Königreich ist für Deutschland wirtschaftlich nicht mehr so wichtig wie es vielleicht mal war. Bei den Öllieferungen in die Bundesrepublik rangiert Saudi-Arabien nur noch an 10. Stelle. Die deutschen Importe von dort sind geringer als die aus der Elfenbeinküste und deutsche Exporte in das Wüstenkönigreich betrugen nur 6,6 Milliarden Euro. Angesichts einer Gesamtexportsumme von mehr als 1200 Milliarden kann Saudi-Arabien die Bundesrepublik nicht ernsthaft erpressen.

Es wäre aber ein Fehler, in dieser Situation die Unternehmen zu Mittlern einer Nahost-Diplomatie zu machen. Ob Saudi-Arabien Waffen bekommt, entscheiden nicht sie. Dafür ist die Regierung zuständig, die nun endlich eine klare, kritische Richtung einschlagen muss. Aber auch Unternehmenschefs aus Deutschland könnten ein kleines bisschen für Menschenrechte beitragen - indem sie eben nicht zum "Davos in der Wüste" reisen. Das würde ihre Konzerne nicht in den Abgrund stürzen, die Aktionäre würden es verschmerzen. Viele Mitarbeiter würde es freuen, wenn ihr jeweiliger Chef klare Haltung zeigt. Und vor allem hülfe es den Reformkräften in Saudi-Arabien.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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