FTX-Pleite:So läuft es für Sam Bankman-Fried vor Gericht

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So sah der Gerichtszeichner den Auftritt von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried am Dienstag vor dem New Yorker Gericht. Foto- und Videoaufnahmen sind im Saal verboten. (Foto: JANE ROSENBERG/REUTERS)

Der 30-jährige Krypto-Unternehmer war 26 Milliarden Dollar schwer. Dann ging seine Börse FTX unter. Nun plädiert er in New York auf: unschuldig.

Von Jannis Brühl

Sam Bankman-Fried hat die Welt oft genug wissen lassen, dass er gerne T-Shirts und kurze Hose trägt. Journalisten berichteten fasziniert vom coolen Milliardär, der so locker, so anders auftrat als die meisten Finanzprofis. Millionen Menschen vertrauten Bankman-Fried ihr Geld an. Und dann war das Geld weg.

An diesem Dienstag, vor dem Gebäude des Bundesbezirksgerichts New York Süd, knipste die Traube der Fotografen den 30-jährigen Gründer der pleitegegangenen Krypto-Börse FTX in Hemd, dunklem Anzug und Krawatte. Er war auf dem Weg zu seiner Anhörung, ihm drohen 115 Jahre Haft. US-Behörden werfen ihm "Betrug epischen Ausmaßes" und Geldwäsche vor. Sam Bankman-Fried - bekannt als SBF - soll als FTX-Chef zehn Milliarden Dollar seiner Kunden verzockt haben. Der Staatsanwaltschaft zufolge hat er zudem mit Spenden unter falschem Namen für die Kandidatur des US-Präsidenten Joe Biden und dessen Demokraten gegen Parteispenden-Gesetze verstoßen. Insgesamt spendete Bankman-Fried mindestens 40 Millionen Dollar, das meiste davon an Demokraten.

Der Anzug blieb das einzige Zugeständnis. In der halbstündigen Anhörung machte Bankman-Fried sich der New York Times zufolge Notizen, während die Juristen sprachen, er sagte kein Wort. Aber seine Anwälte überbrachten die Botschaft: Er plädiert auf nicht schuldig. Das bedeutet: Stand jetzt wird es keinen Deal mit dem Staat geben, um die Strafe zu reduzieren. Im Gegensatz zum Rest der Führungsriege seiner untergegangenen Krypto-Plattform, die sich schuldig bekannt hat, Bankman-Fried bei seinen mutmaßlichen Straftaten geholfen zu haben.

Dass Bankman-Fried keinen Deal annimmt, bedeutet auch: Ihm und New York stehen ein zäher, aufsehenerregender Prozess bevor, in dem die Abgründe des Handels mit Kryptowährungen ausgeleuchtet werden. Vor Gericht soll geklärt werden, wie ein Ende 20-Jähriger eine Milliardenfirma hochziehen, sich von Prominenten wie Ex-Präsident Bill Clinton und Footballstar Tom Brady hofieren lassen und dann das Geld seiner Kunden verzocken konnte. Der Prozess dürfte am 2. Oktober beginnen, ließ Richter Lewis A. Kaplan durchblicken. Er nickte auch einen Antrag der Staatsanwältin ab, der es Bankman-Fried verbietet, Geld aus den Resten von FTX oder der Schwesterfirma Alameda Research irgendwohin zu überweisen. Grund sind Berichte darüber, dass immer noch Geld aus digitalen Geldbörsen abfließt, auf die die Unternehmen Zugriff haben. Bankman-Fried bestreitet, dass er es ist, der dieses Geld beiseite schaffte.

Kunden wollen eine Sammelklage einreichen

Eine Gruppe junger Krypto-Begeisterter um Bankman-Fried hatte FTX in wenigen Jahren zu einem riesigen Marktplatz für Geschäfte mit Kryptowährungen gemacht. Vor einem Jahr wurde das Unternehmen mit 32 Milliarden Dollar bewertet, Bankman-Frieds persönlicher Reichtum auf 26 Milliarden Dollar geschätzt. Von beidem ist praktisch nichts mehr übrig. Ein Insolvenzverwalter kratzt Geld für Gläubiger von FTX zusammen. Kunden wollen eine Sammelklage einreichen.

Kurz vor Weihnachten war Bankman-Fried auf den Bahamas verhaftet worden, von wo aus er FTX geleitet hatte. Er wurde an die USA ausgeliefert und ist dank einer Kautionsabmachung nicht in Untersuchungshaft, sondern steht im Haus seiner Eltern im kalifornischen Palo Alto unter Hausarrest.

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Die Anklage wird sich auch auf zwei der engsten Vertrauten Bankman-Frieds stützen: Gary Wang war Technikchef von FTX, Caroline Ellison Chefin des Hedgefonds Alameda Research, der Schwesterfirma von FTX. Beide haben sich schuldig bekannt, bei der Veruntreuung der Gelder mitgeholfen zu haben.

Bankman-Fried ist der Sohn der Universitätsprofessoren Joseph Bankman und Barbara Fried. Er studierte am renommierten Massachusetts Institute of Technology. Nach dem Abschluss handelte er Kryptowährungen bei einem Broker. 2017 machte er sich mit dem Krypto-Hedgefonds Alameda selbständig, 2019 gründete er die Börse FTX. Er präsentierte sich Politik und Öffentlichkeit als Visionär und zuverlässiges Gesicht der Krypto-Branche, die als Magnet für Betrüger gilt.

Die Pleite von FTX gilt Kritikern des Krypto-Booms als prominentester Beleg, dass die digitalen "Münzen" ( token), die Unternehmen wie FTX vermarkten, wenig mehr sind als heiße Luft. Auch FTX hatte einen eigenen Token namens FTT erfunden. Mit dem unterfütterte Bankman-Fried mutmaßlich das Geschäft seines Hedgefonds Alameda Research, das eigentlich strikt von dem der Online-Börse FTX getrennt sein sollte. Als diese Verstrickung Anfang November bekannt wurde und der FTX-Konkurrent Binance daraufhin eine große Menge FTT auf den Markt warf, stürzte der Kurs der Unternehmens-"Währung" ab. FTX-Kunden wurden panisch und zogen binnen weniger Tage Milliarden Dollar ab. Wie sich herausstellte, hatte FTX nicht genug harte Währung vorrätig, um die Kunden auszuzahlen. Mutmaßlich hatte Bankman-Fried mit dem Geld Spekulationen und Unternehmenskäufe von Alameda Research finanziert.

Rätselraten herrscht darüber, wer Bankman-Fried noch unterstützt und warum er nicht in Untersuchungshaft sitzt. Den Hausarrest bei seinen Eltern konnte er nur gegen Garantie einer Kaution von 250 Millionen Dollar durchsetzen, eine der höchsten Summen in der US-amerikanischen Geschichte. Geld ist bislang keines geflossen, sollte er nicht vor Gericht erscheinen, kann der Staat allerdings das Haus seiner Eltern pfänden. Aber wer steht für den Rest der 250 Millionen Dollar gerade? Bankman-Fried hat nach eigener Aussage nur noch 100 000 Dollar auf dem Konto. Vor der Anhörung am Dienstag hatten seine Anwälte beim Gericht beantragt, die Identität von zwei Personen geheim zu halten, die als Bürgen für die Kaution unterschreiben wollten. In dem Antrag heißt es: "Wenn die beiden übrigen Bürgen öffentlich identifiziert werden, werden sie vermutlich Ziel von bohrendem Medieninteresse und womöglich von Belästigungen, obwohl sie substanziell nichts mit dem Fall zu tun haben." Der Richter gab dem Antrag vorerst statt. Die letzten Unterstützer von SBF bleiben geheim.

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