Lange haben Konzerne wie RWE das Potenzial erneuerbarer Energien eher kleingeredet. Kein Wunder, standen die Stromriesen doch eher für Atomkraftwerke und klimaschädliche Kohle. Doch Vorgaben der Politik sowie der Druck von Investoren machen klar: Unternehmen wie RWE müssen sich massiv verändern, wenn sie eine Zukunft in einem möglichst treibhausgasneutralen Europa haben wollen.
In dieser Gemengelage hat Deutschlands größter Stromerzeuger nun zum sogenannten Kapitalmarkttag geladen - einer Veranstaltung, auf der Firmen um die Gunst und das Geld internationaler Investoren werben. Das klingt dann etwa so: "Wir wollen Gestalter und Schrittmacher der grünen Energiewelt sein", sagt Markus Krebber. Der frühere Unternehmensberater und Bank-Manager steht seit Frühjahr an der Spitze des Essener Konzerns, der noch immer einer der größten CO₂-Emittenten Europas ist. Tendenz sinkend, wie Krebber betont.
Börsennotierte Firmen neigen dazu, lieber über die Zukunft denn zu viel über die Vergangenheit zu reden. RWE, sagt Krebber, werde bis 2030 insgesamt 50 Milliarden Euro investieren: in Wind- und Solarparks sowie in Stromspeicher, Wasserstoff-Anlagen und Reserve-Kraftwerke. Viele solcher flexiblen Meiler für Zeiten mit wenig Wind und Sonne werden bislang mit klimaschädlichem Erdgas befeuert. RWE will sie aber langfristig auf Biomasse oder klimaneutral gewonnen Wasserstoff umrüsten. Insgesamt ist vom größten Investitionsprogramm der Firmengeschichte die Rede.
Zwar macht der Wandel RWE internationaler; die Essener betreiben schon heute Windräder vor der Küste Großbritanniens, Solarparks in den USA oder Biomasse-Meiler in den Niederlanden. Doch immerhin will RWE nach eigenem Bekunden zehn bis 15 der versprochenen 50 Milliarden in Deutschland investieren. Das Unternehmen plant dafür zusätzliche Büros hierzulande - mit etwa 200 neuen Arbeitsplätzen.
Manchen Investoren geht der Wandel von RWE nicht schnell genug
Betrachtet man, welche Kraftwerke RWE Stand heute betreibt, dann ist der Konzern noch vor allem ein Gas-, Kohle- und Atombetrieb. Nur gut ein Viertel aller Erzeugungskapazitäten geht bislang auf Wind- oder Solarparks, Wasser- und Biomasse-Kraftwerke zurück. Allerdings sind große Ausstiege bereits besiegelt: Die letzten Kernkraftwerke sollen in Deutschland bis Ende kommenden Jahres vom Netz gehen. Und die klimaschädliche Kohleverstromung will Deutschland bis spätestens 2038 beenden. Die wahrscheinlich künftige Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP will diesen Ausstieg "idealerweise" auf 2030 vorziehen, so steht es im Sondierungspapier.
Krebber betont zwar: "Bei RWE hat der Kohleausstieg längst begonnen. Unser CO₂-Reduktionsfahrplan steht im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen." Doch der 48-Jährige schickt hinterher: Es könne gelingen, den Kohleausstieg nach vorne zu ziehen. "Diese Gespräche müssen geführt werden und wir sind da bereit", sagt Krebber. Der Zeitplan des Ausstiegs hänge freilich davon ab, wie schnell Deutschland erneuerbare Energien und Netze ausbaue. Diese Wende stockt vielerorts - beispielsweise, weil Bürgerinitiativen gegen Windräder oder Stromleitungen in der Nachbarschaft protestieren.
So reagiert Krebber auch auf Investoren, denen der Wandel nicht schnell genug geht. Allen voran hat der Investor Enkraft gefordert, dass RWE die Braunkohle-Kraftwerke und Tagebaue im Rheinland abspalten sollte, damit man sich auf erneuerbare Energien konzentrieren könnte. Dahinter steckt auch die Erwartung, dass eine "grünere" RWE an der Börse deutlich wertvoller sein könnte als das heutige Gebilde. Enkraft aus Unterhaching bei München zählt zu den sogenannten aktivistischen Aktionären, die Unternehmen auch öffentlich kritisieren, um Einfluss auf die Strategie zu nehmen.
Krebber nennt Enkraft in der Pressekonferenz zwar nicht beim Namen. Doch man weiß, auf wen er anspielt, wenn er sagt: "Manche glauben, das geht über Nacht oder mit der Brechstange." Der Manager betont, beim Kohleausstieg rede man auch über Beschäftigte und eine sichere Stromversorgung. RWE versuche, den Wandel "unter einem Dach" zu schaffen, so Krebber. "Wir stehen auch zu unserer sozialen Verantwortung."
Den Aktionären verspricht der Konzern, dass er allen Investitionen zum Trotz im kommenden Jahr 90 Cent Dividende je Anteilsschein ausschütten will, fünf Cent mehr als zuletzt. Dies solle in Folgejahren die Untergrenze für die Dividende sein.
So ein Kapitalmarkttag, besagt die ungeschriebene goldene Regel für Kapitalmarkttage, sollte den Aktienkurs zumindest nicht absacken lassen; dann hätte der Vorstand enttäuscht. Dies blieb RWE am Montag erspart: An der Börse hat der Konzern zeitweise drei Prozent an Wert gewonnen.