Erstaunliche Statistik:Ein Chef für schöne Zahlen

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Das Geschäftsviertel der russischen Hauptstadt, die Moskau City, liegt nur fünf Kilometer vom Kreml entfernt. (Foto: Maxim Shipenkov/dpa)
  • Die russische Statistikbehörde meldet, das Bruttoinlandsprodukt des Landes sei 2018 um 2,3 Prozent gewachsen - das ist deutlich mehr, als Experten erwartet hatten.
  • Es ist nicht das erste Mal, dass die Zahlen überraschend gut ausfallen, seit Präsident Putin den Chef der Statistikbehörde ausgetauscht hat.
  • Zuvor hatte Putin öffentlich die Qualität der Daten beklagt.

Von Paul Katzenberger, Moskau

Seit die russische Statistik-Behörde Rosstat im Dezember einen neuen Chef bekommen hat, geht es der russischen Wirtschaft spürbar besser, zumindest der Datenlage nach. Auch die neueste Kennzahl lässt aufhorchen: Um 2,3 Prozent sei das russische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2018 gewachsen, teilte Rosstat am Montag in einer ersten Schätzung mit.

Das wäre ein Sechs-Jahres-Hoch; bisher wurden 1,7 Prozent erwartet. Die Erfolgsmeldung der staatlichen Statistiker passt zu der auffällig optimistischen Haltung, die der neue Rosstat-Chef Pawel Malkow seit seinem Amtsantritt Ende Dezember 2018 an den Tag legt. Wichtige Kennzahlen sind seither nach oben korrigiert worden.

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Kurz bevor Malkow ins Amt kam, hatte sich Präsident Wladimir Putin im Dezember fragen lassen müssen, warum vom Wirtschaftswachstum, das der Kreml-Chef damals für 2018 bei 1,8 Prozent sah, so wenig bei den Bürgern ankäme, und ob den Zahlen getraut werden könne. Putin hatte damals eingeräumt, die Statistik sei "nicht perfekt" und müsse verbessert werden. Darunter verstand der Kreml offenbar, Rosstat-Chef Alexander Surinow umgehend von seinen Aufgaben zu entbinden und ihn durch Malkow zu ersetzen, einen Beamten aus dem Wirtschaftsministerium. Nach nicht einmal einer Woche hatte Rosstat seine BIP-Angaben für 2016 und 2017 nach oben revidiert: Aus einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung von 0,2 Prozent 2016 wurde ein Plus von 0,3 Prozent, was auch heißt, dass die Rezession nur ein Jahr dauerte, die dem tiefen Fall des Ölpreises und der Auferlegung westlicher Sanktionen im Jahr 2014 folgte. Das Wachstum für 2017 korrigierte Rosstat von 1,5 auf 1,6 Prozent nach oben.

Vor diesem Hintergrund verwunderte es nicht, dass selbst Kreml-nahe Ökonomen für 2018 auf eigenen Vorhersagen beharren. Andrei Klepatsch, Chefvolkswirt des staatlichen Kreditinstituts Wneschekonombank, gibt unbeirrt eine Wachstums-Prognose von 1,5 Prozent für 2018 heraus: "Ich bin derzeit nicht geneigt, irgendwelchen anderen Zahlen zu trauen", sagte er der Nachrichtenagentur Tass.

Skepsis erregte bei Beobachtern auch der Umstand, dass Rosstat den Wachstumsschub 2018 mit der regen Bautätigkeit begründete, was Zweifel an der Nachhaltigkeit der Zahlen weckte. Denn zur guten Baukonjunktur trug die Eröffnung eines riesigen Gasfeldes auf der Jamal-Halbinsel im arktischen Sibirien mit einem Volumen von umgerechnet 24 Milliarden Euro bei. Die Milliardenzahlen stammten aus einer Gegend, die viele das "Ende der Welt" nennen, schrieb das russische Finanzportal Profinance.ru und zitierte die Chefvolkswirtin der Alfa-Bank, Natalia Orlowa, die von einem Einmal-Effekt sprach: "Die Statistik weist ein Wachstum aus, das aber nicht in allen Bereichen der Volkswirtschaft erkennbar ist." Weitere positive Auswirkungen brachte die Fußball-Weltmeisterschaft, die für ein Plus von 6,1 Prozent in Gastronomie und Hotelgewerbe sorgte. Nur leider wird sich das 2019 nicht wiederholen.

© SZ vom 06.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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