Rückzug von Thyssen-Krupp-Aufseher Cromme:Es war einmal ein mächtiger Strippenzieher

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Ex-ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Cromme

Er war schon länger unter Beschuss, jetzt hat er auch das Vertrauen von Patriarach Beitz verloren: Gerhard Cromme tritt bei Thyssen-Krupp von allen Ämtern zurück.

(Foto: dpa)

Lange war Gerhard Cromme einer der mächtigsten Industrieführer in Deutschland - jetzt ist das Vertrauen von Krupp-Partriarch Beitz aufgebraucht. Cromme muss seinen Posten als Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp räumen. Alle Blicke richten sich nun nach München: Ist Cromme für Siemens noch tragbar?

Von Thomas Fromm, Joachim Käppner und Klaus Ott

Manchmal sieht es so aus, als ob sich die Dinge nie ändern würden. Und dann ändern sie sich innerhalb von Minuten. Im Leben des Gerhard Cromme gab es lange nur eine Richtung: nach oben. Man dachte, der Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp wäre immer da, würde irgendwann sein Lebensziel erreichen und den allmächtigen, 99-jährigen Berthold Beitz an der Spitze der Krupp-Stiftung ablösen.

Die Stiftung kontrolliert nicht nur den Konzern, sie hat Einfluss in Gesellschaft und Politik. Die heimliche Macht an Rhein und Ruhr. Sie zu führen: ein Lebenstraum.

"Cromme bleibt", befand Beitz knapp noch Mitte Dezember, als Aktionärsschützer die Ablösung Crommes forderten. Da stand sein Schützling, der 1999 die Fusion von Krupp und Thyssen eingefädelt hatte, längst unter Dauerbeschuss. Milliardenschwere Fehlplanungen bei Stahlwerken in Brasilien und USA, Korruptionsfälle, Kartellverstöße. Cromme bleibt?

Seit diesem Freitag ist klar: Cromme bleibt nicht,er kann nicht bleiben. Der 70-jährige werde zum Monatsende seine Ämter im Thyssen-Krupp-Aufsichtsrat niederlegen, teilte der Konzern mit. Und: Er werde ebenfalls sein Amt als stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender und als Mitglied der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung niederlegen. Die Stiftung ist Hauptaktionär des Konzerns. Eine Ära Cromme in der altehrwürdigen Stiftung wird es nicht mehr geben. Ein Traum ist ausgeträumt. Er wolle "einen personellen Neuanfang ermöglichen", so Cromme.

Aus dem Konzernumfeld heißt es, dass Cromme nicht freiwillig geht

Noch vor drei Wochen, da wurde Cromme 70 Jahre alt, flochten sie im Unternehmen Kränze für ihn. Lobten ihn als eine der "einflussreichsten Persönlichkeiten in der deutschen Wirtschaft". Am Freitag nur noch ein schmallippiger Gruß von Thyssen-Krupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger. Man nehme die "Entscheidung von Dr. Cromme mit Respekt entgegen".

Wenn es denn seine Entscheidung war.

Aus dem Konzernumfeld ist zu hören, dass Cromme nicht freiwillig geht. Beitz, der alte Mann aus der Villa Hügel, dem Stiftungssitz, hat offenbar eine einsame Entscheidung gefällt. Überrascht wurde nicht nur der Konzern-Aufsichtsrat, sondern auch das Stiftungskuratorium. Denn dass Cromme nicht nur als Vorsitzender des Aufsichtsrates geht, zeigt: Es muss etwas kaputt gegangen sein im Verhältnis zwischen den beiden Männern. Eine zunehmende Entfremdung. Erst 2010 hatte Beitz Cromme klar zu seinem Nachfolger an der Spitze der Krupp-Stiftung nominiert. Die eigentliche Tragik ist: Cromme, der Mächtige, wurde nun von dem einzigen Mann gestürzt, der dazu in der Lage war. Und dessen Nachfolger er so gerne sein wollte.

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