Ringen um Hilfsgelder im IWF:Europa in der Schusslinie

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Eigentlich steht die Brandmauer gegen die Schuldenkrise, in anderen Staaten geht das Europa-Bashing trotzdem weiter. Neue Turbulenzen in Spanien lassen das Krisenmanagement in der Währungsunion schlecht aussehen. Im Weltwährungsfonds IWF wird um noch mehr Geld gerungen. Manche Mitglieder finden, man solle Europa nicht noch mehr helfen - es sei selber reich genug.

Claus Hulverscheidt und Markus Zydra

Das hatten sich Wolfgang Schäuble und seine Kollegen schön ausgedacht: Ende März einigten sich die Finanzminister der Euro-Länder darauf, zum Schutz der gemeinsamen Währung einen dauerhaften Hilfsfonds im Volumen von 800 Milliarden Euro aufzubauen.

Damit, so hieß es vor drei Wochen, habe Europa seinen Beitrag zur Stabilisierung der Weltwirtschaft geleistet. Nun seien die großen Industrie- und Schwellenländer aus anderen Kontinenten an der Reihe, ihrerseits dabei zu helfen, auch die Krisenabwehrmittel des Internationalen Währungsfonds (IWF) um bis zu 600 Milliarden Dollar aufzustocken. Zusammengenommen und in US-Währung umgerechnet, jubelte einer der Euro-Minister im kleinen Kreis, werde die Weltgemeinschaft damit "über zwei Brandmauern von jeweils einer Billion Dollar Höhe" verfügen. Das sei "genau das, was die Finanzmärkte immer gewollt haben".

Die Aufstockung der IWF-Mittel wird bei der Frühjahrstagung des Währungsfonds an diesem Wochenende in Washington wohl tatsächlich in etwas abgespeckter Form beschlossen werden. Schäubles Hoffnung aber, dass Europa damit international endlich aus der Schusslinie kommt, dürfte sich nicht erfüllen.

Grund sind die jüngsten Turbulenzen in Spanien, die das Krisenmanagement der Europäer einmal mehr in ein schlechtes Licht rücken. Rund 700 Milliarden Euro schuldet die Regierung in Madrid ihren Gläubigern. Müssten die Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM mit dem IWF für die privaten Geldgeber einspringen, schrumpfte das gerade geplante Multi-Billionen-Bollwerk rasch zu einem kleinen Mäuerchen zusammen.

Erschwert wird die Sache für die Europäer noch dadurch, dass sie wieder einmal nicht einig sind, wie mit dem Problem umgegangen werden soll. Hinter den Kulissen gibt es Forderungen aus einer Reihe von Euro-Staaten, die Kriterien für die Vergabe von EFSF- und ESM-Mitteln für Fälle zu lockern, in denen das Hauptproblem nicht im Staatshaushalt, sondern in einem maroden Bankensektor liegt. In diesen Fällen, so das Ansinnen, soll der EFSF direkt und ohne den bisher üblichen Umweg über die betroffene nationale Regierung Geld an die kränkelnden Institute überweisen können.

Für einen Ministerpräsidenten wie den Spanier Mariano Rajoy hätte das Modell gleich drei handfeste Vorteile: Er wäre sein Bankenproblem los, seine Regierung müsste - anders als bei bisherigen Hilfspaketen - keine strengen Spar- und Reformauflagen erfüllen, und die Staatsschuldenquote bliebe konstant. Auch Spitzenvertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) sind dem Vernehmen nach begeistert, wäre doch die EZB im Bemühen um eine Stabilisierung des Bankensektors nicht länger auf sich allein gestellt. Verlierer wären hingegen die wichtigsten EFSF-Geberländer, allen voran Deutschland: Sie könnten die Empfängerländer nicht länger zu Reformen zwingen und wären, schlimmer noch, im Falle einer Bankenpleite überdies ihr Geld los.

Kein Wunder also, dass die Idee in Berlin auf Ablehnung stößt: "Spanien braucht kein Hilfsprogramm - und wenn es eins bräuchte, dann nur zu den bekannten Konditionen", heißt es in Regierungskreisen. Eine direkte Auszahlung von EFSF-Mitteln an private Banken sei im Übrigen rechtlich gar nicht zulässig.

Japan will 60 Milliarden Dollar beisteuern

Statt auf Deutschland will Schäuble die Blicke in Washington auf andere Regionen und deren Verantwortung für die Weltwirtschaftsentwicklung lenken. Im Blick hat er dabei vor allem die USA und Japan mit ihren ausufernden Haushaltsdefiziten. "Wir sollten nicht immer wieder und immer weiter nur die Euro-Zone im Fokus haben, auch andere Teile der Welt bedürfen unserer Aufmerksamkeit", heißt es im Finanzministerium.

Die japanische Regierung immerhin hat bereits signalisiert, dass sie 60 Milliarden Dollar zur Aufstockung der IWF-Mittel beitragen will. Die Euro-Länder haben umgerechnet rund 195 Milliarden Dollar zugesagt, die übrigen EU-Staaten sollen 65 Milliarden beisteuern. Damit fehlen nur noch 80 Milliarden Dollar, um das mittlerweile angepeilte Ziel von gut 400 Milliarden Dollar zu erreichen. Zusammen mit den 250 Milliarden Dollar an bereits vergebenen IWF-Hilfen und den noch freien Mitteln des Währungsfonds in Höhe von 350 Milliarden Dollar käme so der erwünschte zweite Eine-Billionen-Dollar-Schutzschirm zustande.

Für Deutschland soll sich die Bundesbank, die die Republik im IWF-Aktionärskreis vertritt, mit einer Kreditlinie von 41,5 Milliarden Euro an der Mittelerhöhung beteiligen. Sollte das Geld eines Tages tatsächlich benötigt werden, kann es die Notenbank einfach per Knopfdruck schöpfen. Allerdings wird ihre Bilanz dadurch erweitert. Schäuble kommt diese Form der Finanzierung höchst gelegen, da sie seinen Etat nicht belastet.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann knüpft sein Ja allerdings an Bedingungen: So soll der Bundestag zustimmen, zudem müssten die neuen Mittel allen IWF-Mitgliedern zur Verfügung stehen und nicht nur den Euro-Ländern. Würden die Milliarden nämlich ausdrücklich zur Stärkung der Euro-Zone etikettiert, finanzierte die Bundesbank womöglich indirekt die Haushalte angeschlagener EU-Staaten mit. Das aber verbietet das EZB-Statut. Darüber hinaus will Weidmann, dass möglichst alle wichtigen IWF-Länder mitmachen. Daraus wird aber nichts, denn der wahlkämpfende US-Präsident Barack Obama hat bereits abgewunken. Auch einige Schwellenländer grummeln, die Euro-Zone nehme den IWF zu sehr in Beschlag. Ihr Vorwurf: Die Staaten der Währungsunion seien reich genug, um ihre Probleme selbst zu lösen. "Das Europa-Bashing", so ahnt ein ranghoher deutscher Tagungsteilnehmer bereits, "wird auch in Washington weitergehen."

© SZ vom 18.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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