Zu den wichtigsten Aufgaben eines Staates gehört es, seinen Bürgern dann zu helfen, wenn sie nicht mehr aus eigener Kraft leistungsfähig sind. Das heißt zum Beispiel auch, ihnen einen angemessenen Lebensabend zu organisieren.
In Deutschland geschieht das über ein Rentensystem, das auf dem generationenübergreifenden Umlageprinzip basiert: Die Jüngeren zahlen Beiträge ein, die sofort wieder an die Älteren ausgeschüttet werden. Leider funktioniert dieser Kreislauf immer schlechter, das heißt: Es fehlt immer mehr Geld in der Rentenkasse.
Eins zu eins kann nicht funktionieren
Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Politik seit Jahren Sozialleistungen ins beitragsfinanzierte Rentensystem schiebt, die dort nichts zu suchen haben. Zuletzt waren das Mütterrente und Grundrente, aber auch schon Helmut Kohl hat die Kosten der Wiedervereinigung teilweise systemwidrig aus der Renten- und der Arbeitslosenversicherung finanziert.
Vor allem aber wirkt sich unerbittlich die Demografie aus. Ob es uns passt oder nicht: Die Deutschen werden weniger, leben aber immer länger. Damit ist die alte Regel, wonach drei Arbeitnehmer einen Rentner finanzieren, längst überholt, eines Tages wird es heißen: eins zu eins. Das kann nicht funktionieren.
Schon heute muss die Rentenkasse aus Steuermitteln aufgefüllt werden, bald sind das 100 Milliarden Euro im Jahr, der größte Posten im Haushalt des Arbeitsministers Hubertus Heil (SPD), die Demografie wird das Rentensystem, so wie es heute organisiert ist, sprengen - garantiert.
Obwohl das jedermann weiß, hat die neue Merkel-Regierung auf Druck der SPD im Koalitionsvertrag eine doppelte Haltelinie eingezogen: Das Rentenniveau - also die Netto-Standardrente - darf nicht unter 48 Prozent fallen (bisher waren das 43 Prozent), und der Beitragssatz, den Arbeitnehmer und Arbeitgeber hälftig zahlen, soll nicht über 20 Prozent steigen. Das kann nicht funktionieren, es wird ab 2023 immer mehr Geld kosten und schon in einer Generation unbezahlbar sein. Ab 2023 werden Jahr für Jahr, rasch ansteigend, viele Milliarden Euro Steuergeld zusätzlich nötig, wie das Münchner Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik jetzt durchgerechnet hat.
Unpopuläre Maßnahmen würden helfen
Die Lösung kann nur in einem Mix liegen, bei dem das Rentenniveau sinkt, der Beitragssatz steigt - und die Menschen länger arbeiten. Alle drei Maßnahmen sind unpopulär, gewiss, aber unvermeidbar. Und vor allem: Wenn man das Rentenniveau einigermaßen erträglich halten will und Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht zu sehr belasten will, kommt man um den dritten Punkt nicht herum. Leider ist der besonders unpopulär. Selbst die einst vom SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering durchgeboxte schrittweise (und erst in zwölf Jahren abgeschlossene) Verlängerung der Lebensarbeitszeit von 65 auf 67 Jahre ist bis heute bei vielen Menschen verpönt.
Aber warum nur gilt es als unsozial, das gesetzliche Rentenalter hochzusetzen? Dabei ist es eine logische Konsequenz des Umstandes, dass die Deutschen im Schnitt älter werden und länger gesund bleiben - also können und müssen sie auch länger arbeiten und in die Rentenkasse einzahlen. Experten haben dafür die Zwei-zu-eins-Regel vorgeschlagen. Drei Jahre Zuwachs der Lebenserwartung würde dann bedeuten: zwei Jahre länger arbeiten und ein Jahr länger Rente beziehen. Dabei kommt es auf die konkrete Ausgestaltung des neuen Systems an. Niemand will einen 70-jährigen Dachdecker mit zitternden Beinen aufs Haus schicken. Viele Positionen in Büros sind aber sehr wohl auch noch mit 70 zu leisten.
Wer sich der Notwendigkeit verschließt, dass die Menschen länger arbeiten, wird erst das Rentensystem ruinieren und dann die Staatsfinanzen insgesamt. Viele Politiker wissen das, die wenigsten wagen es auszusprechen. Je später aber der Gesetzgeber reagiert, desto härter werden die Konsequenzen sein.