Die Deutschen gelten eigentlich als knauseriges Volk. Außer es geht um den Urlaub. Weder die Energiekrise noch die Inflation konnten ihre Reiselust 2023 trüben - im Gegenteil. Im vergangenen Jahr haben die Bundesbürger fast 87 Milliarden Euro für Urlaub ausgegeben, mehr als je zuvor. Das sind im Schnitt rund sieben Prozent des Haushaltsnettoeinkommens, lautet ein Ergebnis der Reiseanalyse 2024, bei der Marktforscher seit mehr als einem halben Jahrhundert das Urlaubsreiseverhalten hierzulande analysieren. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren.
Im vergangenen Jahr gaben die Deutschen rund 110 Euro pro Person und Tag aus, rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr - und sie empfanden das anscheinend als gerechtfertigt. "Wir konnten nicht feststellen, dass das Preis-Leistungs-Niveau kippt oder nicht anerkannt wird, welcher Wert hinter dem Reisen steckt", sagt Ulf Sonntag, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts NIT (New Insights for Tourism). Er hat die Ergebnisse am Freitag präsentiert.
Fragt man die Deutschen nach ihren Konsumprioritäten, liegen Urlaubsreisen auf Platz zwei (hinter Lebensmitteln). Den meisten ist es wichtiger zu verreisen, als etwa neue Möbel, Autos oder Handys zu kaufen, und auch deutlich wichtiger, als in die eigene Altersvorsorge zu investieren, zeigt die Befragung. Die hohen Reisepreise führen jedoch dazu, dass die meisten Menschen lieber einen längeren Urlaub machen als mehrere Kurzurlaube. Die Reisedauer lag 2023 durchschnittlich bei 13,1 Tagen und war damit deutlich länger als 2022 (12,6 Tage) und auch länger als 2019 (12,4 Tage). Bei den Kurztrips von zwei bis vier Tagen verzeichneten die Forscher hingegen leichte Rückgänge.
Der Trend zum Heimaturlaub, wie er sich in der Pandemie gezeigt hat, hat sich nicht fortgesetzt. Im Jahr 2023 bevorzugten die Deutschen Auslandsreisen, ihr Anteil lag mit 78 Prozent aller Urlaubsreisen so hoch wie nie zuvor. Gleichzeitig sank der Anteil der Inlandsreisen auf 22 Prozent, lag damit aber noch immer mit Abstand auf Platz eins aller Urlaubsziele. Die meisten Inlandstouristen zog es nach Bayern (4,6 Prozent Marktanteil), Schleswig-Holstein (4,3 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (drei Prozent).
Die beliebtesten Auslandsreiseziele waren Spanien (14,4 Prozent), Italien (8,2 Prozent), Türkei (8,2 Prozent), Kroatien (4,5 Prozent) und Griechenland (4,2 Prozent).
Das Flugzeug ist beliebter als das Auto
In Hinblick auf den Klimawandel hatten die Marktforscher bei der Vorstellung der Ergebnisse weniger gute Nachrichten mitgebracht: Zum einen sind die besonders CO₂-intensiven Fernreiseziele, welche in Zeiten der Pandemie kaum zu bereisen waren, wieder angesagt. Insgesamt erreichten Fernreisen einen neuen Rekordwert von 9,3 Prozent (2022: 6,9 Prozent). Besonders beliebt waren unter anderem die Karibik, die Malediven, Thailand und Vietnam. Erstmals hat das Flugzeug bei der Wahl der Verkehrsmittel einen höheren Anteil als das Auto (46,8 Prozent vs. 41 Prozent). Mit Bus und Bahn fahren hingegen die wenigsten in den Urlaub, der Marktanteil liegt gerade mal bei rund fünf Prozent.
Dass die Deutschen so häufig das Flugzeug nehmen, ist auch deshalb bemerkenswert, weil sich die meisten der Reisenden bewusst sind, wie schädlich Fliegen für das Klima ist. Rund 50 Prozent der Befragten, die 2023 geflogen sind, haben dabei ein schlechtes Gewissen beziehungsweise Flugscham empfunden. 2019, dem Vergleichsjahr vor der Pandemie, waren es lediglich 41 Prozent. "Sie machen wider besseres Wissen diese langen Reisen, obwohl sie eigentlich nachhaltig und ökologisch eingestellt sind", sagt Marktforscher Sonntag.
Auch 2024 ist das Fernweh groß. Fast drei Viertel der Befragten planen in diesem Jahr wieder längeren Urlaub. 43 Prozent wollen dafür ähnlich viel Geld ausgeben wie 2023, 15 Prozent sogar noch mehr.